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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann

Hans-Jürgen Feldmann ist Pfarrer im Ruhestand.
Der Name des letzten Tages im Jahr geht auf Papst Silvester I. (314 bis 335) zurück: Der 31. Dezember gilt als sein Todestag; in der katholischen Kirche wird er als Heiliger verehrt. Silvester profitierte als erster von den Früchten der Kirchenpolitik Kaiser Konstantins des Großen, der dem bis dahin verfolgten Christentum den Status einer rechtmäßigen Religion verlieh.
Über sein Leben ist sonst nicht viel bekannt, doch um seine Gestalt ranken sich einige Legenden. So soll er Konstantin einmal vom Aussatz geheilt und dessen Mutter Helena, die ursprünglich mit dem Judentum sympathisierte, für den christlichen Glauben gewonnen haben, indem er namhafte jüdische Gelehrte in Grund und Boden diskutierte. Auch einen Drachen, Inbegriff des Bösen, habe er gefangengesetzt und somit für eine Weile unschädlich gemacht. Letzteres Motiv berührt wohl am stärksten die Empfindungen beim Jahreswechsel.
Vielen wird gerade am diesem Abend bewußt, daß die eigene Lebenszeit verrinnt. Je älter man geworden ist, desto mehr schrumpft einem diese Frist. Die Uhrzeiger scheinen sich schneller zu drehen als noch vor Jahren. Ein Hauch von Vergänglichkeit liegt bitter in der Luft.
Jüngere Menschen empfinden das noch nicht so. Aber mit den Älteren teilen sie ein Unbehagen vor dem, was kommt, und sind davon vielleicht sogar stärker betroffen. Sie haben das Leben noch länger vor sich. Da ist die Zukunft mit ihrer Unsicherheit und ihrem möglicherweise bedrohlichen Potential erst recht die große Unbekannte. Chancen, die man vor Jahren gehabt hätte, sind seltener geworden. Die Aussichten auf Beruf und Lebensstandard haben sich verschlechtert. Vielleicht erweist sich sogar alles Planen einmal als vergeblich.
Dergleichen wird vom Silvestertrubel gern überspielt und übertönt. Andere suchen Ermutigung und Stärkung im Gottesdienst. Beides weist aber in die gleiche Richtung: Unsicherheit im Hinblick auf die Zukunft, die keiner kennt und vorhersagen kann, erfüllt die Menschen.
In der Epistel des Silvestertages (Röm. 8, 31-39) äußerst sich der Apostel Paulus zu solcher gefühlsmäßigen und gedanklichen Gemengelage. Er ist gewiß: Nichts, aber auch gar nichts, kann uns von der Liebe Gottes scheiden. Diese Gewißheit wird allerdings nicht durch Beschwichtigung oder Verharmlosung gewonnen - ganz im Gegenteil.
Denn Paulus wendet geradezu eine Schocktherapie an. Anstatt die Schrecken dieser Welt kleinzureden, benennt er deutlich, was das Leben erschweren und bedrohen kann. Von Kräften und Mächten ist da die Rede. Einige davon wohnen im Inneren des Menschen und steigen daraus empor. Dazu gehört die Angst, aber auch Formen der Traurigkeit, denen einer von sich aus nicht gewachsen ist. Hinzu kommt das Gruselkabinett dessen, was Menschen einander antun. Schließlich sind unheimliche kosmische Mächte am Werk: Naturgewalten und überirdische Kräfte, Konstellationen von Gestirnen und das Schicksal. Dem ist der Mensch wehrlos ausgeliefert und kann keinen Einfluß darauf nehmen.
Paulus nimmt dergleichen ernst, erkennt aber zugleich die Grenzen aller Bedrohungen. Sie sind da, wo Gott ihnen Einhalt gebietet und sagt: Bis hierher und nicht weiter! Deshalb ist es ihm wichtig, weniger auf die Gefahren zu starren, als vielmehr den Blick auf Christus zu richten. Denn in ihm ist die Liebe Gottes anschaulich und begreifbar geworden.
Was 2007 im einzelnen bringen wird, weiß niemand. Aber jeden wird Gott mit seiner Liebe, in welcher Gestalt auch immer, durch das neue Jahr begleiten. Das gibt Zuversicht, wie sie aus einem kleinen Dialog aus China spricht: »Ich sagte zu dem Engel, der an der Pforte des neuen Jahres stand: ÝGib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewißheit entgegengehen kann.Ü Aber er antwortete: ÝGeh nur in die Dunkelheit und lege deine Hand in die Hand Gottes! Das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg.Ü«

Artikel vom 30.12.2006