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Kämpfer in der Kritik:
Vogts lacht nur noch

Der Weltmeister und Ex-Bundestrainer wird 60 Jahre alt

Von Klaus Lükewille
Bielefeld (WB). Der Verteidiger Berti Vogts war 1974 Fußball-Weltmeister. Der Trainer Berti Vogts wurde 1996 Europameister. Dazu kommen fünf nationale Titel, ein Pokalsieg und zwei UEFA-Cup-Triumphe mit Borussia Mönchengladbach.

Darf es noch etwas mehr sein?
Bitte sehr: 96 Länderspiele, in den letzten Jahren von 1976 bis 1978 war er sogar Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, 419 Bundesliga-Auftritte, immerhin 33 Tore. Für einen Abwehrspieler keine schlechte Quote.
Doch trotzdem bekam der Mann, der am 30. Dezember seinen 60. Geburtstag feiert, nicht immer eine gute Note. Sogar der Blödel-Barde Stefan Raab durfte sich vor zehn Jahren mit »Bördi, Bördi Vogts« über ihn lustig machen. Doch der oft verspottete Experte, der sicher mehr von Taktik als von Rhetorik versteht, nimmt das inzwischen locker: »Wenn ich über's Wasser laufen könnte, würden meine Kritiker noch sagen: Nicht mal schwimmen kann er.«
Hier lacht einer über sich, wie gut. Denn Untergangs-Stimmung kommt vor dem Feiertag bei Vogts sicher nicht auf. Warum auch? Für einen nur mäßig begabten Fußballer hat der kleine Kicker aus Korschenbroich eine große Karriere hingelegt. Und wie? Er sieht es so, es stimmt wohl auch: »Die meisten Spieler waren viel, viel besser, aber ich hatte mehr Ehrgeiz.« Dazu kam der passende Verein und der richtige Trainer. Angetrieben von seinem Ersatzvater Hennes Weisweiler kämpfte sich der Vollwaise Vogts, genannt »Terrier«, im Trikot von Mönchengladbach in die Nationalelf.
Der WM-Triumph 1974 war die Krönung, der Abschiedsball vier Jahre später der Tiefpunkt. Nach dem 2:3 gegen Österreich im argentinischen Cordoba, dem WM-Aus, tanzten Bundestrainer Helmut Schön und sein Lieblingsschüler den letzten Tango.
1990 rückte Vogts auf Deutschlands heißesten Stuhl. Ein schweres Erbe, denn Franz Beckenbauer hatte nach dem WM-Sieg von Rom verkündet: »Jetzt kommen noch die Spieler aus dem Osten dazu, Deutschland wird auf Jahre unschlagbar sein.« Schönen Dank, Kaiser. Wobei sich die EM-Bilanz des Bundestrainers Vogts sehen lassen kann: Finalist 1992, Champion 1996. Aber bei den WM-Endrunden, da flog er 1994 und 1998 mit seiner Mannschaft immer schon im Viertelfinale raus. Das war zu wenig, Vogts musste gehen.
Die nächsten Bank-Stationen: Kuwait, Bayer Leverkusen, Schottland. Erfolgreich war der Fußball-Fachmann da nicht mehr. Inzwischen verkauft er sein Wissen an das Deutsche Sport-Fernsehen. Denn beim DFB gab es für ihn keinen Platz, seinen Wunschposten als Sport-Direktor besetzt inzwischen Matthias Sammer.
Dabei wäre ihm sein alter Arbeitgeber eigentlich etwas schuldig gewesen. Denn es war Vogts, der Jürgen Klinsmann in Kalifornien traf und für das Unternehmen WM 2006 ins Gespräch brachte.

Artikel vom 29.12.2006