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NRW vor Millionenzahlungen

Gutachten zum Gesundheitsfonds stößt bei Landesregierung auf Widerstand

Düsseldorf (dpa). Ein Wirtschaftsgutachten zur Belastung der Bundesländer durch den geplanten Gesundheitsfonds hat in Nordrhein- Westfalen neue Bedenken gegen das Vorhaben genährt.
Ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) kommt zu dem Schluss, dass NRW durch den Fonds im ungünstigsten Fall mehr als 100 Millionen Euro im Jahr zusätzlich an einkommensschwächere Länder abführen müsste.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte am Freitag in Düsseldorf: »NRW darf nicht schlechter dastehen als andere Länder.« Die schwarz-gelbe Landesregierung werde aber erst nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen über ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat entscheiden.
Die CDU-Landtagsfraktion bezeichnete die Entwürfe zum Gesundheitsfonds als »Nebelwand«. Aus dem Bundesgesundheitsministerium fehle »präzise Navigation«. Es sei sehr zweifelhaft, ob das von der Bundesregierung für den Januar angekündigte Gutachten diese Unklarheiten beseitigen könne, meinte Vize-Fraktionschef Rudolf Henke. Die Reform soll 1. April 2007 in Kraft treten.
Laumann und Henke bekräftigten ihre ablehnende Haltung gegen die geplanten pauschalen Sanierungsbeiträge der Krankenhäuser. »Der Krankenhausbereich kann eine so hohe Belastung wie vorgesehen nicht tragen«, unterstrich Laumann.
Laut RWI-Gutachten, das im Auftrag der NRW-Landesregierung erstellt wurde, belastet der Fonds vor allem die einkommensstarken Krankenkassen und Länder.
Mehr abführen müssten zudem Länder, deren Bevölkerung sich im statistischen Vergleich eines unterdurchschnittlichen Krankheitsrisikos erfreut. Beides treffe - entgegen den landläufigen Vorurteilen - einer Stichprobe zufolge auch auf Nordrhein-Westfalen zu, sagte der Leiter der Abteilung Gesundheit im RWI, Boris Augurzky.
Der Studie des Instituts zufolge werden durch den Finanzausgleich der Krankenkassen heute schon Milliardensummen zwischen den Ländern verschoben. Das bevölkerungsreichste Bundesland NRW zahle schon jetzt fast 900 Millionen Euro in den so genannten Risikostrukturausgleich (RSA). Käme der Gesundheitsfonds, würden das Beitragsaufkommen aller Kassen und ihre gesamten Kosten umverteilt.
Das Institut empfiehlt das zusätzliche Beitragsaufkommen, das bislang noch nicht über den RSA verteilt wird, zunächst über die Kopfzahl abzurechnen. Dies könne eine Überlastung vermeiden. Dadurch würden sich die zusätzlichen Kosten für NRW, Bayern und Baden-Württemberg jeweils um zweistellige Millionenbeträge erhöhen, die in der Spitze 86 Millionen Euro erreichen könnten.
Verteilte man es dagegen nach dem Krankheitsrisiko der Versicherten, müssten Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mehr als 100 Millionen Euro zusätzlich zahlen. Das RWI empfiehlt daher, das Krankheitsrisiko erst in einem zweiten Schritt als weiteren Verrechnungsparameter einzuführen.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sprach von einer »überflüssigen Zahlendebatte«. Eine vereinbarte Klausel verhindere, dass ein Bundesland mit mehr als 100 Millionen Euro im Jahr belastet werde, bekräftigte sie in den »Aachener Nachrichten«. »Die Krankenversicherung ist eine Solidargemeinschaft für alle. Es gibt keine Süd- und auch keine Ost-Solidarität. Es gibt eine gesamtdeutsche Solidarität.«
Für die angekündigten deutlichen Beitragssteigerungen vieler Krankenkassen machte die SPD-Politikerin in erster Linie die Kassen verantwortlich. Alles, was über eine Anhebung um 0,3 Prozentpunkte hinausgehe, liege »am mehr oder minder guten Wirtschaften der Kassen«. Deren tatsächliche Finanzlage müsse endlich transparent werden, forderte die Ministerin.

Artikel vom 30.12.2006