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Heul doch! Und zieh dich um!

Freches Stück von Melanie Arns hat am 6. Januar Premiere im TAMzweijung

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). So mit 20 etwa ist man aus dem Gröbsten raus. Mensch geworden. Charakter gebildet. Alle Erfahrungen des Lebens mindestens einmal gemacht. Sexuell missbraucht worden. »Heul doch!« ist aber kein Betroffenheitstheater, sondern forsch und frech. Und jung.

Das Stück nach dem 60-Seiten-Roman der 26-jährigen Autorin Melanie Arns, das am Samstag, 6. Januar, 19.30 Uhr, Premiere hat, wird gezielt im TAMzweijung uraufgeführt. »Wir waren - wieder einmal - schneller als die vielen anderen interessierten Theater«, sagt, abgründig lächelnd, Intendant Michael Heicks, der die literarische Vorlage zusammen mit der Dramaturgin Claudia Lowin für die Bühne bearbeitete und selbst Regie führt.
In der Bielefelder Fassung von »Heul doch!« wird die namenlose Ich-Erzählerin von drei Schauspielerinnen verkörpert, von Claudia Mau, Ulrike Müller und Ines Buchmann. »Als wir Melanie Arns das vorschlugen, meinte sie, diese super Idee hätte auch von ihr kommen können«, erzählt Heicks und freut sich schon wieder. Der Kniff mit den drei Frauen nämlich erlaubt es ihm, die Vorstellungen, Gefühle und Projektionen der Erzählerin mit den ureigenen Mitteln des Theaters zu visualisieren.
So wie der Roman aus drei Teilen besteht, so gliedern die Bielefelder ihr Stück nach Lebensaltern: kindliches Mädchen, Schülerin, junge Frau. Und wer je ein weibliches Wesen hat heranwachsen sehen, der weiß: Es muss sich alle paar Tage neu erfinden. Klamotten. Frisuren. Eben all das, was die Selbstwahrnehmung und die Rezeption durch die Umwelt beeinflusst. »ÝHeul doch!Ü ist ziemlich kostümlastig geworden«, gesteht der Regisseur. Häufiges Umziehen ist angesagt.
»Ich bewundere die Kraft und die kühle Intelligenz der Sprache, die nichtsdestoweniger dem Zuschauer die Identifikation mit der Erzählerin und ihren Erlebnissen erlaubt«, sagt Claudia Lowin. »Zielgruppe sind aber keineswegs nur die jungen Leute«, fügt Heicks hinzu, der gleichwohl hofft, diese vierte Premiere im TAMzweijung werde helfen, dass die U20-Generation das Theater kennen- und lieben lernt.
Und die Reaktionen sind durchaus ermutigend: »Viele Schulklassen haben starkes Interesse an ÝHeul doch!Ü bekundet«, berichtet die Theaterpädagogin Martina Breinlinger, die auch manchem Deutschlehrer (es gibt ja noch keine Sekundärliteratur zum Stück . . .) die Scheu vor diesem neuen Text nehmen konnte. Wie intensiv Schülerinnen ÝHeul doch!Ü empfinden, wie ähnlich ihre eigenen Erfahrungen sind, zeigen ihre Tagebücher, aus denen wir im Programmheft zitieren.«
Jetzt sind Bielefelds Theatermacher vor allem darauf gespannt, wie die Jungs reagieren . . .

Artikel vom 29.12.2006