30.12.2006
|
»Klar kann ich das«, erwiderte sie.
»Es ist nämlich so, dass ich meinen alten Freund Donald gern überraschen würde«, sagte der Mann. »Er hat keine Ahnung, dass ich wieder in der Gegend bin. Ich war lange in Indien. Kennst du Indien?«
R
»Ich war da noch nicht«, sagte sie.
»Aber es würde dich doch interessieren, Bilder von dort zu sehen, oder? Von den Kindern in ihren Dörfern. Wie sie leben und spielen, und wo sie zur Schule gehen. Na, wäre das nicht spannend?«
»Doch. Ja.«
»Siehst du. Und ich habe ganz viele Dias von Indien. Die würde ich gern in eurem Kindergottesdienst zeigen. Aber ich brauche jemanden, der mir dabei assistiert.«
D
»Nun, jemanden, der mir hilft, die Kästen mit den Dias hineinzutragen. Die Leinwand aufzuhängen. Glaubst du, dass du das könntest?«
D
»Das könnte ich! Auf jeden Fall! Wo sind denn die Dias?«
»Halt«, bremste der Mann. »Die habe ich noch nicht dabei. Ich wusste ja nicht, dass ich hier eine so begabte, hilfsbereite Person wie dich treffen würde. Ich dachte an den nächsten Sonntag?«
R
»Oh, das ist ja furchtbar! Da bin ich nicht hier! Meine ElternÉ«
»Dann muss ich doch versuchen, jemand anderen zu finden«, meinte der Mann.
Das war eine schier unerträgliche Vorstellung.
»Bitte«, flehte Rachel, »können Sie nicht nochÉ«, sie rechnete hastig nach, »Énoch drei Wochen warten? Wir fahren nämlich in die Ferien. Aber wenn wir zurück sind, würde ich auf jeden Fall mitmachen! Ganz sicher!«
»Hm«, überlegte der Mann. »Das dauert aber noch ganz schön lange«, meinte er dann.
»Bitte«, flehte Rachel wieder.
»Glaubst du wirklich, du kannst das Geheimnis so lange für dich behalten?«
»Ganz bestimmt. Ich sage niemandem etwas! Ehrenwort!«
»Du dürftest Donald nichts erzählen, denn den will ich ja überraschen. Und deiner Mum und deinem Dad auch nichts. Meinst du, das geht?«
»Ich sage meiner Mum und meinem Dad sowieso nichts«, behauptete Rachel, »die interessieren sich auch gar nicht für mich.«
D
»Und deiner besten Freundin?«, vergewisserte sich der Mann. »Der sagst du auch nichts?«
»Nein. Ich schwöre es!«
»Gut. Gut, ich glaube dir. Pass auf, wir treffen uns dann am Sonntag in drei Wochen unweit meiner Wohnung. Wir fahren zu mir, und du hilfst mir, die Sachen ins Auto zu laden. Du wohnst in KingÕs Lynn?«
»Ja. Hier in Gaywood.«
»Okay. Dann kennst du sicher den ChapmanÕs Close?«
D
»Ich weiß, wo das ist«, sagte sie.
»Sonntag in drei Wochen? Um Viertel nach elf?«
»Ja. Ich bin ganz bestimmt da!«
»Allein?«
»Natürlich. Wirklich, Sie können sich auf mich verlassen.«
»Ich weiß«, sagte er und lächelte wieder sein sympathisches Lächeln, »du bist ein großes, vernünftiges Mädchen.«
S
Ein großes, vernünftiges Mädchen.
Noch drei lange Wochen. Sie konnte es kaum abwarten.
Montag, 7. August
A
Es war ein wolkenloser Sommertag, so heiß, dass man hätte meinen können, man sei in Italien oder Spanien, aber keinesfalls in England. Obwohl sich Liz schon immer über die abfälligen Bemerkungen, das englische Wetter betreffend, geärgert hatte. So schlecht war es nämlich gar nicht, die Leute klebten einfach nur an ihren Klischeevorstellungen. Zumindest war es eine Frage der Region. Der Westen, der die Wolken abbekam, die Tausende von Kilometern über den Atlantik herangezogen waren, war zweifellos recht feucht, und auch oben in Yorkshire und Northumberland regnete es oft.
Es war tragisch, mit achtzehn schwanger zu werden, und zwar aus purer Dummheit, weil man einem Typen vertraut hatte, der verkündete, er »werde schon aufpassen«. Mike Rapling hatte offensichtlich keine Ahnung vom Aufpassen gehabt, denn schon LizÕ erste sexuelle Begegnung mit ihm hatte sich als Volltreffer erwiesen. Später hatte Mike noch herumgeschimpft und behauptet, er sei hereingelegt worden, Liz habe ihn in eine Ehe nötigen wollen, aber er werde den Teufel tun, sich in seinem jugendlichen Alter bereits in Ketten legen zu lassen.
L
Erwartungsgemäß hatte Mike dies nicht besonders gekümmert. Er weigerte sich rundweg, Liz zu heiraten, und verlangte sogar einen Vaterschaftstest, als das kleine Mädchen geboren war und die Frage der Unterhaltszahlungen drängend wurde. Zumindest an seiner Eigenschaft als Erzeuger konnte es danach keinen Zweifel mehr geben. Er zahlte widerwillig, wenn auch halbwegs regelmäßig, hatte aber nach zwei oder drei kurzen Besuchen jedes Interesse an seiner Tochter verloren.
E
»Es ist dein Kind! Und es war deine idiotische Lüsternheit, die dich in diese Lage gebracht hat! Glaub nicht, dass irgendjemand zur Stelle ist, um dir das abzunehmen. Ich schon gar nicht! Du kannst verdammt froh sein, dass ich euch nicht alle beide vor die Tür setze!«
S
Z
M
Artikel vom 30.12.2006