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Hilfsjobs statt Fürsorge

Koalition will 100 000 Langzeitarbeitslose von der Straße holen

Von Dietmar Kemper
Gütersloh (WB). Die große Koalition will den scheinbar hoffnungslosen Fällen unter den Langzeitarbeitslosen eine neue Chance geben. 100 000 Männer und Frauen, die körperlich oder psychisch beeinträchtigt sind, drogenabhängig waren oder gar keine Berufsausbildung haben, sollen 2007 einen einfachen Hilfsjob bekommen.
Klaus Brandner: »Einfache Tätigkeiten gibt es kaum noch.«

»Wir müssen diese Menschen unterstützen, weil sie sonst dauerhaft auf Fürsorge angwiesen wären und sozial ausgegrenzt würden«, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner aus Gütersloh, gestern dieser Zeitung. Bei bis zu 400 000 Langzeitarbeitslosen seien alle Versuche, sie mit den bestehenden Arbeitsmarktinstrumenten (Lohnkostenzuschüsse und Bewerbertraining) in Lohn und Brot zu bringen, gescheitert. »Ich bin kein Freund eines zweiten, dritten oder vierten Arbeitsmarktes, aber bei dieser Klientel müssen wir Beschäftigung öffentlich fördern«, betonte Brandner.
Weil die so genannten »Schonarbeitsplätze« in Industrie und Verwaltung weitgehend weggefallen seien, sollen die einfachen Tätigkeiten in Kindergärten, Schulen, Sportvereinen und kulturellen Einrichtungen entstehen. Langzeitarbeitslose könnten Hausmeister unterstützen, Werkstätten aufräumen, für ältere Leute einkaufen oder für die Industrie Teile fertigen, wie es Behinderte bereits jetzt in den Integrationsbetrieben tun. Über Einzelheiten wie die konkrete Finanzierung verhandelt eine Arbeitsgruppe von SPD und Union. In den Grundzügen herrsche »bis in die Spitzen der Koalition Übereinstimmung«, sagte gestern NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Unternehmen, die schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose einstellen, sollen einen »finanziellen Nachteilsausgleich« erhalten, der bis zu 50 Prozent des Arbeitsentgelts entsprechen könnte. Im November bezogen 58 108 Männer und Frauen in Ostwestfalen-Lippe Arbeitslosengeld II. Hartz IV-Arbeitsgemeinschaften wie GT aktiv im Kreis Gütersloh übernehmen 42 Prozent des Arbeitnehmerbruttolohnes, um Unternehmen die Einstellung von Langzeitarbeitslosen schmackhaft zu machen. Bis Ende 2007 sollen so im Regierungsbezirk Detmold mindestens 600 Helferstellen geschaffen werden. Die sozialversicherungspflichtigen Jobs sind aber zumeist zeitlich befristet. »Brandners Pläne ergänzen unser Kombilohn-OWL-Modell«, sagte der stellvertretende Geschäftsführer von GT aktiv, Rolf Erdsiek. Brandner strebt allerdings unbefristete Jobs an. Für die Beschäftigten sollen keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet werden.

Artikel vom 29.12.2006