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Tempo 120 auf Autobahnen?

Umweltbundesamt fordert Limit - Verkehrsminister Tiefensee dagegen

Berlin (dpa). Mit einem Vorstoß für ein Tempolimit 120 auf allen Autobahnen hat das Umweltbundesamt (UBA) eine neue Kontroverse ausgelöst. UBA-Präsident Andreas Troge nannte ein solches Tempolimit einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erteilte Troges Forderung eine klare Absage. Die beiden Automobilclubs ADAC und AvD nannten ein Tempolimit nutzlos.
»Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde lässt sich der Kohlendioxid-Ausstoß um zehn bis 30 Prozent reduzieren«, sagte Troge. Aus Sicht des Umweltbundesamtes muss im Verkehrsbereich mehr geschehen, damit die EU und Deutschland ihre Klimaschutzziele erreichen. »In den vergangenen Jahren ist auch bei uns der Abbau von Treibhausgasen ins Stocken geraten«, sagte Troge. Der Spritverbrauch neu zugelassener Autos müsse deutlich sinken.
»Statt Energie sparende Motoren zu entwickeln baut die Industrie Wagen mit der Leistung mehrerer Kavallerie-Regimenter unter der Motorhaube.«
Nötig sei auch eine bessere Kennzeichnung, damit sich Autofahrer genauer über den Benzinverbrauch informieren könnten. Troge forderte zudem die Einführung einer Flugbenzin-Steuer und die Erhöhung der Autobahn-Maut für Lastwagen von 12,5 auf 30 Cent pro Kilometer. Ein Tempolimit senke zudem die Unfallgefahr und führe zu weniger Staus.
Tiefensee widersprach Troge: »Ich bin gegen ein generelles Tempolimit.« Auf fast 40 Prozent der Autobahnen gebe es bereits Beschränkungen. Statt auf ein generelles Tempolimit setze er auf weitere Innovationen bei Kraftstoffen, Motoren und Antrieben. Der Verkehrs- und Haushaltsbereich erfülle seine Klimaschutzvorgaben schon heute. »Er hat mit einer Minderung von 15 Millionen Tonnen bereits einen höheren Beitrag übernommen als die Energiewirtschaft.«
Auch das Bundesumweltministerium lehnt ein Autobahn-Tempolimit von 120 ab. Das Thema stehe nicht auf der Tagesordnung und sei »klimapolitisch nicht geboten«, sagte ein Sprecher von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD).
ADAC-Präsident Peter Meyer sagte: »Tempo 120 ist ein alberner Vorschlag aus der ideologischen Klamottenkiste.« Das Durchschnittstempo auf den Autobahnen liege bereits deutlich unter 120 Stundenkilometern. »Für die Sicherheit und die Umwelt bringt ein Tempolimit also überhaupt nichts«, sagte Meyer.
Der Automobilclub von Deutschland (AvD) erklärte, auf weniger als 20 Prozent der Autobahnen gelte freie Fahrt. Eine Verringerung des CO2-Ausstoßes um zehn bis 30 Prozent sei nicht möglich, sagte AvD-Sprecher Johannes Hübner. Ein Tempolimit würde den Verkehr bremsen und dadurch zu mehr Staus führen.
Die Grünen begrüßten den Vorstoß des Umweltbundesamts-Chefs. Der Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer sagte der »Berliner Zeitung«: »Ein Tempolimit auf Bundesautobahnen ist nachweislich ein wirksames Instrument der Emissionsminderung.« Er freue sich, dass das Umweltbundesamt dieses Thema aufgreife. »Klimaschutz muss endlich ganz praktisch in der Verkehrspolitik ankommen«, sagte Bütikofer.
Ein Tempolimit könnte nach Ansicht eines Umweltforschers einen Sinneswandel der Verbraucher beim Autokauf bewirken. »Wenn die Leute ihr Fahrzeug nicht mehr ausfahren können, würden sie vielleicht zu Modellen mit kleineren und sparsameren Motoren greifen«, sagte der Professor für Umweltpolitik an der Universität Lüneburg, Thomas Saretzki. Insgesamt sei der Benzinverbrauch in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen. Die klimapolitischen Ziele könnten nur eingehalten werden, wenn über den Emissionshandel hinaus an weiteren Stellschrauben gedreht werde. Dazu gehöre auch ein Tempolimit.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 29.12.2006