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Nur Oliver Kahn durfte noch
eine lange Ehrenrunde drehen

Triste Abschiede: Rote Karte, Bank-Plätze und ein geplatzter Final-Rekord

Von Klaus Lükewille
Berlin (WB). Ausgemustert und ausgewechselt. Überfordert, angeschlagen und durchgedreht. Fünf große Stars räumten bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland die Bühne. Die Endstation langer Länderspiel-Karrieren.

Nein, das war nicht mehr ihr Turnier. Obwohl sie Zinedine Zidane anschließend sogar noch zum besten WM-Spieler wählten. Aber die meisten Stimmzettel der internationalen Journalisten-Jury wurden vor dem Finale abgegeben. Danach hätte der Franzose ganz sicher ein paar Punkte weniger bekommen.
Die 110. Minute im Endspiel gegen Italien: Marco Materazzi beleidigte Zidane - und der drehte durch. Wieder einmal. 14 Platzverweise standen schon auf seinem Konto.
Die Rote Karte Nummer 15, das war der Tiefpunkt einer großen Kicker-Laufbahn. Bilder, die er nie mehr löschen kann. Denn wie ein wütender Stier hatte Zidane den Italiener umgerammt. Frankreich war zu diesem Zeitpunkt die bessere Mannschaft, auf dem Weg zum finalen Triumph im Olympia-Stadion.
Doch Zidane, ihr Kapitän, marschierte in die Kabine. Vorbei am Pokal, den er keines Blickes mehr würdigte. Was für ein trister Abschied, was für ein Drama. Hier musste ein Star vorzeitig den Platz verlassen. Für immer. Denn der Franzose, er trat ab.
Die Hauptrolle in seinem neuen Leben außerhalb des grünen Rasen-Rechtecks spielte danach nur noch die Familie, dazu kommt und die Aufgabe als UN-Botschafter im Kampf gegen die Armut. »Es war eine lange und schöne Karriere, aber ich bin froh, dass diese Zeit endlich vorbei ist«, blickt Zidane heute ohne Zorn zurück.
Endstation Deutschland. Doch der Franzose ist der einzige der »Großen Fünf«, der mit dem Fußball abgeschlossen hat. Der Brasilianer Cafu zum Beispiel, mit seinen 36 zwei Jahre älter als Zidane, er räumt weiter im Strafraum auf. Er zählt immer noch zum Stammpersonal beim AC Mailand. Sein großer Traum, sein finaler Rekordplan, der ging bei der WM 2006 aber nicht mehr in Erfüllung. Vier Endspiele hintereinander, das hatte noch keiner geschafft. Und das sollte auch Cafu nicht gelingen. Der Weltmeister von 1994 und 2002, der Final-Teilnehmer von 1998, er war 2006 nicht mehr gut genug. Wie die gesamte brasilianische Elf. Überheblich und nicht fit. Cafu bekam zu spüren: Routine ist sicher wichtig, aber die modernen Verteidiger, die spielen inzwischen anders.
Sein portugiesischer Kollege rettete sich dagegen mit der Andeutung alter Klasse durch die Endrunde. Keine Frage, die besten Tage des Luis Figo sind ebenfalls vorbei. Aber in einigen Partien deutete er dann doch an, dass er es immer noch kann.
Ballsicher, trickreich, torgefährlich, ja, in vielen Szenen sogar ein echter Führungsspieler. Doch je länger Portugal im Rennen war, um so müder wurde Figo.
Den Anpfiff zum Spiel um Platz drei erlebte der Kapitän, leicht verletzt, nur als Zuschauer. In den letzten 13 Minuten durfte er dann noch einmal auf den Rasen. Das kleine Finale, sein Endspiel für sein Land. Bei Inter Mailand ist Figo weiter am Ball. Er wird aber bereits mit dem saudi-arabischen Club Al Ittihad Jeddah in Verbindung gebracht. Denn in Italien ist der Portugiese kein Mann für die vollen 90 Minuten mehr, er »darf« meistens früher auf die Bank.
Da hockte am 1. Juli in Gelsenkirchen ein enttäuschter und erschöpfter David Beckham. Englands Kapitän musste von Bord, Trainer Sven Göran Eriksson hatte ihn im Viertelfinale gegen Portugal schon nach 52 Minuten ausgewechselt. Er sah hilflos zu, wie die Kollegen später wieder Nerven zeigten und beim Elfmeter-Schießen scheiterten.
»Das waren für mich die bittersten Minuten meiner Karriere«, sagte Beckham, der am Tag danach seinen Rücktritt als Spielführer bekannt gab. Und es sollte noch härter kommen. Steve McClaren, Englands neuer Coach, strich ihn aus dem Kader: »Ich plane nicht mehr mit David.«
Da musste der jahrelang stets umhätschelte und verwöhnte Star erst ein paar Mal schlucken. Er, David Beckham, der große Beckham, er sollte nie mehr für England auflaufen?
»Ich will mich weiter mit guten Leistungen aufdrängen«, kündigte der aussortierte Star an. Doch den Worten folgten bisher zu wenig Taten. Beckham ist bei Real Madrid nur noch ein Mitläufer, sein Verkauf wurde bereits diskutiert. Und so lange er an der Seite seiner Frau Victoria, einem früheren Spice-Girl, in bunten Blättern mehr Seiten füllt als im Sportteil, wird sie sehr, sehr schwer, die geplante Rückkehr.
Für Oliver Kahn ist das ohnehin kein Thema mehr. Das Tor der deutschen Nationalmannschaft hat er geräumt. Endgültig. Bei der WM saß er sechs Spiele nur auf der Reservebank. Erst zum Abschluss gegen Portugal, da bekam Kahn noch seine Abschiedspartie, drehte danach die letzte Ehrenrunde. Er zählte vor dem Turnier zu den großen Verlierern, und durfte sich am Ende doch noch wie ein Gewinner fühlen. Weil Kahn die für ihn völlig ungewohnte Rolle als Nummer 2 so erstklassig spielte.

Artikel vom 30.12.2006