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Eingeständnis des Versagens

Polizei an den Schulen keine Lösung - Erziehungsarbeit leisten


Zu dem Artikel »NRW schickt Polizei an die Schulen«:

In vielen Städten und Gemeinden existiert bereits eine gute Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der örtlichen Polizei. Diese Zusammenarbeit nun von politischer Seite einzufordern kommt daher, wie ich meine, einem Eingeständnis des Versagens gleich. Institutionen werden beauftragt, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene wieder auf den rechten Weg zu bringen. Notfalls mit der Staatsgewalt. Nur, dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Denn wer so auffällig ist, dass die Polizei davon Kenntnis erhält, weil die Möglichkeit besteht, dass dieser junge Mensch zum Amokläufer werden könnte, ist er schon lange auf der schiefen Bahn.
Doch wie kommt er dahin? Wer hat versagt? Die Familie, die Erzieher in der Krabbelgruppe oder im Kindergarten, die Lehrer der unterschiedlichen Schulen, die Gesellschaft oder, - welch subversiver Gedanke, die Politik? In einem Land, in dem alle politischen Bereiche wichtiger zu sein scheinen als Familien- und Bildungspolitik, einem Land, in dem oftmals beide Elternteile arbeiten müssen, um eine Familie finanzieren zu können, ist eine Fremderziehung der einzige Ausweg. Aber auch dies scheint politisch gewollt.
Warum denn sonst der Ruf nach mehr Krabbelgruppen, nach beitragsfreien Kindergärten und mehr Ganztagsschulen? Jeder Arbeitnehmer bringt Steuern, unterstützt das Sozialsystem, stärkt die Kaufkraft - ist ein Wähler. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.
Auf der anderen Seite gibt es genügend Eltern, die ihren Anteil an der Nachwuchsförderung mit der Zeugung als erfüllt ansehen. Den Erziehungsauftrag kann man heute ja getrost an die Institutionen des Staates abgeben. Wenn es dann nicht klappt, hat man wenigstens einen Schuldigen. Dabei gibt es hinreichend Studien, die belegen, dass Kinder, die überwiegend fremderzogen wurden, verstärkt zu psychischen Störungen neigen.
Mit Schuldzuweisungen ist keinem geholfen, ebenso wenig hilfreich ist das Herumlaborieren an den Symptomen. Alle Institutionen sind Werkzeuge der Gesellschaft und funktionieren daher nur so gut oder so schlecht wie die Gesellschaft selbst. Ein Umdenken ist gefragt; in der Politik, aber auch in der Gesellschaft bis hinein in die Familien.
Schon Hermann Hesse sagte: »Ich muss Geduld haben, nicht Vernunft; ich muss die Wurzeln tiefer treiben, nicht an den Ästen rütteln.«
ULRICH KIPSHAGENDetmold

Artikel vom 29.12.2006