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Zum Bestechen gehören stets zwei: einer der gibt und einer, der die Hand aufhält. Unmoralisch ist beides.

Leitartikel
Siemens-Affäre

Korruption
zahlt sich
nicht aus


Von Bernhard Hertlein
Ein namhaftes Paderborner Computerunternehmen legt seinen Einladungen zur großen Hausmesse immer ein Tütchen Gummibärchen bei. Jedes Jahr kommen etwa zehn Tüten mit Gummibärchen zurück. Die Absender sind ausnahmslos Mitarbeiter des selben Unternehmens.
»Die Annahme von Gastgeschenken ist uns verboten«, heißt es in der Begründung. Dies gilt offenbar selbst dann, wenn der Rückversand teurer ist als der Wert des »Gastgeschenkes«. Zu Recht mag man dieses Verhalten als übertrieben einstufen.
Welten liegen zwischen den Gummibärchen und den 420 Millionen Euro, die beim deutschen Vorzeigekonzern Siemens - wahrscheinlich von Anfang an zum Zwecke der Bestechung -Êin »schwarze Kas-sen«Êgeflossen sind.
Heinrich von Pierer, früher Vorstandsvorsitzender und nun Aufsichtsratschef, legt Wert auf die Feststellung, dass er von alledem nichts gewusst habe. Bis zum Beweis des Gegenteils ist diese Aussage glaubhaft - wenngleich man seine Zweifel haben darf, dass eine so große Summe bei dem vorzüglichen Controlling von Siemens einfach »durchgerutscht« sein soll.
Enttäuschung und Entrüstung über den Münchener Technologiekonzern sind groß - aber nicht einheitlich. Bis 1999 war Bestechung im Ausland nicht nur geduldet, sondern wurde sogar staatlich gefördert: Als »nützliche Aufwendungen« konnte sie von den Unternehmen steuermindernd abgesetzt werden.
Das ist zum Glück vorbei. Was im Inland verboten ist, darf im Ausland nicht erlaubt sein.
Aber der Geist hinter dem alten Rechtsverständnis ist noch wach: Was Aufträge für die heimische Wirtschaft und damit Arbeitsplätze sichert, kann doch nicht schlecht sein.
Es ist schlecht -Êauch wenn der britische Premierminister Tony Blair gerade in einem ähnlichen Fall wie Siemens einen Abbruch der Untersuchungen gegen den Rüstungskonzern BAE Systems durchgesetzt hat. In England, immerhin Mitglied der Europäischen Union, ist das möglich.
Oft erklären Leute, die gesetzestreue Menschen für Kleingeister halten, in manchen Kulturen habe man ohne Bestechung gar keine Chance, einen Auftrag zu landen. Schmunzelnd werden Wege aufgezählt, wie das überall gültige gesetzliche Verbot von Korruption umgangen wird - mit Honoraren für Beratungstätigkeit oder mit Geld für Studien, die keiner braucht und die deshalb oft gar nicht erst erstellt werden.
Zum Bestechen gehören stets zwei: einer, der gibt, und einer, der die Hand aufhält. Unmoralisch ist beides. Korruption ist im übrigen auch unwirtschaftlich, weil sie am Ende jedes Produkt verteuert.
Der Kampf gegen Korruption muss lokal beginnen und sich global fortsetzen. Und er muss ernsthaft geführt werden -Ênicht gegen Gummibärchen, sondern an Stellen, wo wirklich bestochen wird.

Artikel vom 27.12.2006