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Marktkauf

Von der alten
AVA ist nichts
mehr übrig

Begonnen hat die Liaison von Marktkauf und Edeka als Märchen.


Heute würde man es als Heuschrecken-Plage bezeichnen, was Anfang der neunziger Jahres plötzlich die Unabhängigkeit der damaligen AVA Allgemeine Handelsgesellschaft der Verbraucher AG gefährdete. Damals rettete Edeka die Bielefelder aus den Fängen derer, die den Konzern zerschlagen wollten.
Von Märchenstimmung war 2006 in Bezug auf Edeka und Marktkauf nichts mehr zu spüren. Nachdem die Hamburger Einzelhandelsgruppe - verzögert durch den Einspruch mehrerer Kleinaktionäre -Êvollständig in den Besitz der AVA gekommen und die AG vom Börsenzettel genommen war, begann sofort der Ausverkauf der Gruppe. Zuerst trennte man sich von dem einstigen Vorzeige-Objekt, dem Marktkauf-Einkaufszentrum in der russischen Hauptstadt Moskau. Dann wurde die Optiker-Kette Krane an den Konkurrenten Apollo verscherbelt. Auch die Bau- und Gartenmärkte wären wohl verkauft, wenn sich nur ein halbwegs ernst zu nehmender Interessent gefunden hätte.
Für viele Kunden und vor allem Mitarbeiter ist die Entwicklung bei Marktkauf nicht leicht verständlich. Jahrezehnte lang erschien der Konzern im günstigen Licht -Êmit Zahlen, die stets besser waren als die der Branche.
Offenbar waren sie für Edeka nicht gut genug. Kaum am Ruder, holten sich die Hamburger den als »harten Hund« bekannten Sanierer Stephan Schelo. Dieser hatte sich gerade bei einem anderen Edeka-Unternehmen, der Spar-Gruppe, als Kostendrücker hervorgetan. Das gleiche »Erfolgsrezept« übertrug er nun auf Marktkauf: Kosten runter, Personal raus. Andere Möglichkeiten zum Sparen gebe es kaum: Selbst die Schließung unrentabler Standorte stößt wegen bestehender Mietverträge an enge Grenzen.
Im Oktober an einem Freitag, den 13., stimmte der Betriebsrat Schelos Sanierungsplan zu. Die ursprünglich drohende Zahl von 1800 zu kündigenden Vollzeit-Stellen wurde auf 1400 reduziert. Insgesamt zählt Marktkauf 26 000 Mitarbeiter, die sich bislang 17 000 Vollzeitstellen teilten. Zusätzlich soll eine Vielzahl von Arbeitsverträgen tariflich neu eingestuft werden. Lohnkürzungen von 10 bis 15 Prozent sind die Folge. Schelos Begründung: »Wir sind überall zu teuer.« Seine Maxime: Marktkauf muss mit den Preisen der Discounter konkurrieren können. Gleichzeitig sollen das Angebot in der gleichen Breite und der gleiche Beratungsservice aufrechterhalten werden.
Bielefeld, das sich einst so über den weißen Ritter Edeka gefreut hatte, ist von den Stellenstreichungen besonders betroffen. 300 Stellen fallen allein in der Zentrale weg. Klar, dass in den meisten Mitarbeiter-Haushalten an diesem Jahreswechsel statt mit Sekt nur mit Selters angestoßen wird.

Ein Beitrag von
Bernhard Hertlein

Artikel vom 30.12.2006