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»Vorher in Urlaub fahren geht eigentlich nicht«

Singen auf dem Weihnachtsmarkt ist zur Tradition geworden

Von Hanne Biermann
(Text und Fotos)
Bielefeld (WB). Die Stimmen werden ein letztes Mal mit Glühwein geölt, Liederblätter werden ausgeteilt, Jörg Schüler gibt den Ton vor, und schon erklingen auf dem Bielefelder Jahnplatz die ersten Töne von »Alle Jahre wieder«.

Vor rund 13 Jahren hatte die Bielefelder Familie Schüler »aus einer Laune heraus« damit begonnen, den letzten Tag des Weihnachtsmarktes, damals noch der 23. Dezember, mit festlichen Liedern zu beenden, wie Anja Schüler erzählt. Das Datum ist trotz Marktverlängerung geblieben, nur die anfängliche Zahl von zehn Singenden hat sich erhöht. Mehr als 50 Menschen fanden sich in diesem Jahr gegen 19 Uhr auf dem Jahnplatz ein, um gemeinsam Weihnachtslieder anzustimmen. Nebenbei wurde bis zur Schließung der Marktbuden um 21 Uhr auch viel miteinander geplaudert und der ein oder andere Glühwein beim »Mäusewirt« getrunken. Gesungen werden bekannte Weihnachtslieder, deren Reihenfolge variabel ist. Nur das erste (»Alle Jahre wieder«) und das letzte Lied, »O du Fröhliche«, sind traditionell festgelegt.
Familie Schüler ist natürlich zahlreich vertreten, dazu haben sich viele Freunde und Bekannte gesellt, für die ein 23. Dezember ohne das Singen auf dem Jahnplatz gar nicht mehr vorstellbar ist: »Vorher in Urlaub fahren geht eigentlich nicht«, erzählt Kristina Moehlmann, die »von den textunsicheren Anfängen bis heute« dabei ist. Passanten, die neugierig stehen bleiben, wird ein Liederzettel in die Hand gedrückt, mit der freundlichen Einladung mitzusingen. Harald Nehl hat sogar seine Mundharmonika mitgebracht, um die Lieder zu begleiten.
Auch aus dem In- und Ausland sind Leute angereist, um das weihnachtliche Singen nicht zu verpassen: Aus Schloß-Holte, Hamburg, Köln und sogar aus Amerika. Susan und Jan Freitag leben in Nashville Tennessee, verbringen die Feiertage aber dieses Jahr in Deutschland. Der gebürtige Bielefelder hat seiner amerikanischen Frau schon seit Jahren vom Weihnachtsmarkt in seiner Heimat vorgeschwärmt. Diese ist von ihrem ersten Besuch in Deutschland restlos begeistert. In Nashville zeigt das Thermometer zur Winterzeit nur selten eine Temperatur unter 15 Grad an, Schnee gibt es so gut wie nie. Diesen konnte Susan in Bielefeld bisher zwar noch nicht bewundern, doch auch so hat sie viele neue Eindrücke sammeln können. Besonders, dass die Deutschen trotz der eisigen Temperaturen ihren Glühwein unter freiem Himmel trinken, fasziniert die Amerikanerin. Mit den anderen zu singen ist für sie allerdings problematisch, spricht sie doch kein Deutsch. »Ich singe auf Englisch mit. Und vielleicht wird ja auch ÝJingle BellsÜ gesungen«, sagt Susan gut gelaunt. Auch die übrigen Sänger sind nicht immer textsicher und die Notenzettel reichen längst nicht für alle, doch das stört Niemanden. Die Teilnehmenden sind sich einig: Der Spaß ist das Wichtigste.
Und im nächsten Jahr? Da geht es natürlich weiter, und alle, die Spaß am Singen in geselliger Runde haben sind herzlich eingeladen.

Artikel vom 27.12.2006