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Glasnudelsalat,
Fleisch und Reis
bei Kerzenlicht

Deutsch-Koreanische Weihnacht

Von Jens Heinze
und Carsten Borgmeier (Foto)
Schildesche (WB). Erst wurde über den Weihnachtsmarkt gebummelt, beim folgenden Mahl zum Fest - Glasnudelsalat, scharfes Schweinefleisch in Peperonisauce mit Reis und Kopfsalat - griffen dann alle zu Stäbchen statt zu Messer und Gabel. Familie Falkenhagen aus Gellershagen erlebte dieses Jahr keine gewöhnliche Weihnacht. Die Feiertage 2006 standen ganz im Zeichen der deutsch-koreanischen Freundschaft.

Grund dafür war der Besuch alter Freunde aus Südkorea. Prof. Dr. Heung-Yong Lee (51) und seine Frau Kaye-Sun (48) kennen Eva-Maria (56) und Wolfgang Falkenhagen (61) seit mehr als zwei Jahrzehnten. Der Juraprofessor an der Uni Konkuk (etwa 100 Kilometer südlich der Hauptstadt Seoul) und die Konzertsängerin sowie Dozentin im Fach Sopran an der Seouler Frauenuniversität E-Wha waren bei ihrer Studienzeit in Ostwestfalen-Lippe der Gellershagener Familie über das hiesige Christliche Zentrum näher gekommen. Was bei der evangelischen freien Gemeinde begonnen hatte, mündete trotz der großen Entfernung Deutschland-Südkorea in eine tiefe, seit Jahrzehnten währende Freundschaft (siehe unten stehenden Bericht »Eine koreanische Liebe aus Bielefeld«).
Die Lees aus Seoul, die mit ihren Söhnen Sung-Un (20) und Sung-Jun (10) die Familie Falkenhagen über die Festtage besuchten, sind Christen. »Etwa ein Viertel der südkoreanischen Bevölkerung ist christlichen Glaubens«, berichtete Prof. Dr. Lee. Auch sonst habe man im Fernen Osten mehr mit Deutschland gemein, als hier wohl bekannt sei.
In ihrer Heimat, fügte Frau Lee hinzu, herrsche zur Zeit ebenfalls Winter und es seien die Straßen und Häuser weihnachtlich geschmückt. Was aber die - überwiegend buddhistischen - Geschäftsleute mehr aus kommerziellen Interesse machen würden, denn gefeiert im Kreise der Familie werde weniger zu Weihnachten, sondern vor allem zu Neujahr. "Dann gibt es im Land eine Völkerwanderung, um sich gegenseitig zu besuchen", erklärte der Juraprofessor.
Er und sein jüngster Sohn Sung-Jun werden sowohl den bevorstehenden Jahreswechsel als auch das Osterfest 2007 in Deutschland erleben. Prof. Dr. Lee hat sich an seiner Uni Konkuk ein so genanntes Sabbatjahr genommen, um in Köln freie Studien zu betreiben. Während der zehnjährige Sprößling die internationale Schule besucht, erforscht der Vater die deutsche Verfassungsgeschichte von den Preußen bis hin zur Weimarer Republik.
Denn Deutschland, seine Menschen und ihre Geschichte haben es sowohl dem Professor als auch seiner Frau besonders angetan. Beide bewundern nicht nur die Wiedervereinigung von BRD und DDR (»Die Koreaner leiden sehr unter der Spaltung ihres Landes!«) und die seit fast 60 Jahren stabile Demokratie im hiesigen Mehr-Parteien-System. Die Lees sind zudem begeistert von der europäischen Philosophie und der deutschen, rationalen Denkweise. »Deutschland ist in Korea bekannt für die preußischen Tugenden Sauberkeit, Gründlichkeit, Ordnung und das Oktoberfest«, erklärt Heung-Yong Lee mit einem Augenzwinkern.
Deshalb wird der Deutschlandbesuch die Familie Lee nach einem geplanten Hamburgabstecher zwecks Silvesterfeier gleich mit Beginn des neuen Jahres in die Hauptstadt Berlin führen. Der älteste Sohn Sung-Un soll die Spree-Metropole mit den Spuren von Preußens Glanz und Gloria auf jeden Fall sehen, bevor er Mitte Januar 2007 wieder nach Südkorea zurückkehrt. Obwohl, wie Vater Lee auf Nachfrage einräumt, Berlin im Vergleich zur Heimatstadt in Südkorea eher klein ausfällt. »Seoul ist fast viermal größer als die deutsche Hauptstadt und reicht von Bielefeld bis Porta Westfalica«, erklärt der Juraprofessor.
Und was sagt die Gellershagener Familie Falkenhagen zu den Gästen aus Fernost? »Wir genießen, dass der Besuch aus Korea da ist«, bekräftigen Eva-Maria und Wolfgang Falkenhagen. Außerdem haben die ehrenamtlich sehr aktiven Falkenhagens beim dreiwöchigen Urlaub in Seoul im Mai vergangenen Jahres erfahren, dass die Lees einige deutsche Traditionen in ihrer Heimat eingeführt haben. »Kommt man in Korea zu Besuch, dann sitzen alle auf dem Boden. Nur bei Familie Lee gibt es Couch, Sessel und Tisch", schmunzelt Wolfgang Falkenhagen.

Artikel vom 27.12.2006