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»Keine Chance für den als FriedensVermittler ins Gespräch gebrachten Bundespräsidenten Horst Köhler.«

Leitartikel
Somalia

Bild vom Blitzsieg täuscht


Von Reinhard Brockmann
Schnelle Übernahme der Hauptstadt, freundliche Hilfe des Nachbarn, Einsetzung der regulären Regierung, schwere Zeiten für Terror-Freunde: Das Bild vom Blitzsieg täuscht. Weder als Operette noch als Schurkenstück lässt sich der Fall Somalia abhaken.
Der Blick auf die am stärksten zerrütteten politischen Verhältnisse in Afrika muss mit den Menschen beginnen. Auf eine mörderische Dürre folgten im November verheerende Überschwemmungen. Und jetzt auch noch der Machtwechsel, dessen Tote nicht gezählt sind. Wegen fehlender Sicherheit der Helfer musste die Notversorgung von 1,7 Millionen Menschen aus dem Welternährungsprogramm der UN gestoppt werden. Laut Unicef ist Somalia »eines der härtesten Länder für Kinder«. Die Sterblichkeit in den ersten fünf Lebensjahren ist extrem hoch, die Schulbesucherrate mit 28 Prozent beschämend niedrig.
Seit dem Sturz des letzten Alleinherrschers, Mohammed Siad Barre 1991, wütet der Bürgerkrieg in Somalia. Die Amerikaner sind an der Küste gegenüber der arabischen Halbinsel schon einmal furchtbar gescheitert. Ihre aktuelle Neigung, nach Irak und Afghanistan eine dritte Front mit dem Islamismus zu eröffnen, tendiert gegen Null.
Wie es weitergehen soll mit Somalia, welche Zukunft dieser Staat hat, der seit 15 Jahren zu existieren aufgehört hat, weiß in Wahrheit niemand.
Kein Wunder, dass sich der Weltsicherheitsrat in der vorletzten Nacht nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnte. Das einzige arabische Land unter den 15 Ratsmitgliedern bestand darauf, den Rückzug des äthiopischen Militärs und »anderer ausländischer Truppen« aus Somalia zu verlangen. Frankreich, Großbritannien, die USA, Russland, China sowie Ghana und Tansania lehnten es entschieden ab, nur Äthiopien beim Namen zu nennen.
15 ausländische Mächte sollen am Horn von Afrika um Einfluss rangeln. Nicht mitgezählt sind die knapp 300 deutschen Marine-Soldaten, die nach eigener Darstellung den Waffenschmuggel erfolgreich unterbinden.
Äthiopiens Regierungschef Meles Zenawi hat UN-Generalsekretär Kofi Annan versichert, der militärische Einsatz seines Landes sei nur von kurzer Dauer. Das christliche Äthiopien wird einen neuen Taliban-Staat beim verhassten Nachbarn auf keinen Fall dulden. Ein Übergreifen des Krieges auf die Region ist absehbar.
Eritrea und Dschibuti sind von Destabilisierung bedroht. Darfur im westlichen Sudan und jetzt Somalia stehen für den Kern größerer Konflikte. Kenner sehen den gesamten Sudan mit der friedensvertraglich vereinbarten Volksabstimmung über einen südlichen Separatstaat 2009 vor dem Zusammenbruch. Kämpfer in Tschad, Zentralafrikanischer Republik und Nord-Uganda warten nur auf Waffenlieferungen internationaler Unruhestifter.
Keine Chance für den von Karl-Heinz Böhm (ÝMenschen für MenschenÜ) als Vermittler ins Gespräch gebrachten Bundespräsidenten Horst Köhler.

Artikel vom 29.12.2006