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»In Bielefeld bin ich wie
ein Fisch im Wasser«

Witwe des Ex-Bundespräsidenten mag Westfalen

Von Manfred Matheisen und
Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld/Bonn (WB). »Die Volksmedizin ist ein riesiger Schatz. Ich sehe es als meine Lebensaufgabe an, dass der Naturheilkunde und der Homöopathie endlich die ihnen gebührende Anerkennung gezollt wird.« Mit aller Kraft widmet sich Dr. Veronica Carstens der Stiftung, die vor 25 Jahren von ihr und ihrem Ehemann, dem damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens, gegründet wurde.

Der Bitte um ein Interview hat die gebürtige Bielefelderin sofort entsprochen. Mit natürlicher Freundlichkeit begrüßt sie kurz vor Weihnachten die Gäste aus ihrer Geburtsstadt in ihrem Haus unweit von Bonn. Sie bietet Ayurveda-Tee an und lächelt: »Den müssen sie trinken, das ist ein Glückstee.«
Bielefeld? »Ja«, sagt sie, »da fühle ich mich wohl, da bin ich wie ein Fisch im Wasser.« Gern erinnert sie sich an die glückliche Kindheit im Priorschen Elternhaus am Goldbach. Und natürlich an das Ceciliengymnasium, an dem sie 1941 ihr Abitur gemacht hat. »Über die Wissensvermittlung hinaus haben wir der Schule zwei Dinge zu verdanken: einen festen Glauben und die Freude an der Musik.«
Der Glaube gebe ihr auch Kraft für ihr Lebenswerk, sagt Frau Carstens. Nimmermüde setzt sich die Internistin, die in ihrer Praxis nach wie vor Patienten betreut, für die Anerkennung der Naturheilkunde und Homöopathie als Ergänzung der Schulmedizin ein. In der vorigen Woche hat sie an der Jahresschlusssitzung der »Karl und Dr. Veronica Carstens Stiftung« teilgenommen, die sie mit ihrem Mann 1981 gegründet hat. Sie strahlt: »Auf unseren Internetseiten hatten wir 2006 acht Millionen Besucher. Wir sind unendlich froh über unseren Erfolg.« Anfangs, sagt sie, habe man die Stiftung nicht so recht ernst nehmen wollen. Es sei ja auch sehr ungewöhnlich gewesen, dass ausgerechnet die Ehefrau des Bundespräsidenten sich um die Anerkennung der Naturheilkunde bemüht habe: »Mein Mann sagte einmal: 'Was du dir vorgenommen hast, ist schwieriger als Katholiken und Evangelische zusammenzuführen'.«
Unaufgeregt und mit großer Beharrlichkeit hat Veronica Carstens die Stiftungsarbeit vorangetrieben. Mehr als 23 Millionen Euro konnten schon für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt werden. Es gibt hoch angesehene Modellprojekte - naturheilkundliche Ambulanzen in der Heidelberger Frauenklinik und der onkologischen Klinik in Jena, um nur zwei Beispiele zu nennen.
In Bielefeld war Veronica Carstens zuletzt 1998 zur Einweihung des Karl-Carstens-Weges unterhalb der Schwedenschanze, der an die Wanderung des Bundespräsidenten im Jahr 1983 erinnert. Nach Westfalen und insbesondere in ihre Geburtsstadt fahre sie besonders gern, sagt Frau Carstens. »Die Menschen sind vertrauenswürdig, freundlich und haben eine besondere Art von Humor.« Es zeichne sie aus, dass ihnen nichts daran gelegen sei, sich in den Vordergrund zu drängen: »Sie sind zufrieden, wenn man von ihnen nicht einmal spricht. Und gerade das spricht für sie.«
Das Weihnachtsfest verbringt Veronica Carstens zu Haus: »Ich freue mich auf die Stille und ich werde viel lesen.« Und Kraft schöpfen wolle sie. Für die Stiftung.

Artikel vom 23.12.2006