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Kalenderspruch

»Frage: Was ist
ein Cent?
Antwort: Ein Euro abzüglich Steuern.«

Leitartikel
Geschmackssache Steuerstaat

Treu und brav auf falschem Kurs


Von Rolf Dressler
Schon zu des Kanzlers Gerhard Schröder Zeiten musste die Bürger-Mitwelt bisweilen zum zumindest vorletzten Mittel greifen: in die Allzweckkiste Abteilung Humor/Galgenhumor. Denn anders war und ist so mancher Tort kaum mehr zu ertragen.
Im April 2004 zum Beispiel wit- zelten die vom krass-grünen Öko-Fieber gründlich kurierten Ex- Öko-Fanatiker Dirk Maxeiner und Michael Miersch in ihrer famosen allwöchentlichen »Welt«-Kolumne, der SPD-Regierungschef höchstselbst habe soeben eine leibhaftige »Kommission für unbedenkliche Kost« berufen, kaum dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer für fettes und ungesundes Essen endlich durchgesetzt worden sei.
Schröder, so hieß es, wolle aber nicht nur die Kernfrage klären lassen, was nun eigentlich ungesund sei und was gesund. Nein, beantwortet werden müsse etwa auch hochdringlich, ob ungesunde, sogenannte Geschäfts- und Arbeitsessen von der Steuer abgesetzt werden könnten oder ob Sozialhilfeempfänger von ihren staatlichen Zuwendungen fortan überhaupt noch Leberwurst oder Gummibärchen kaufen dürften.
Das, wie gesagt, war auch schon vor fast drei Jahren im Schwange. Und heute? Per 1. Ja- nuar 2007 langt Väterchen, Groß- und Urgroßväterchen Staat zum x-ten Male in kurzer Folge wiederum kräftig hin: Mehrwehrsteuer von 16 rauf auf 19 Prozent, Kran- kenkassenbeiträge satt aufwärts, desgleichen schon wieder Gas und Strom - und jetzt natürlich auch noch der Treibstoff für unser aller liebstes »Kind« im Blechkleid, das Auto.
Eigentlich ist auf der sprichwörtlichen Kuhhaut doch kein Platz mehr. »Nicht wirklich« jedenfalls, wie man es im zeitgenössischen Flachdeutsch zu sagen pflegt. Deshalb wohl fühlt sich diesmal SPD-Vormann Kurt Beck zu der bahnbrechend-unverbindlichen Jahresschluss-Mahnung (an wen genau?) bemüßigt, die Dauer-Reformitis mit immer neuen Lasten könnte das Publikum womöglich vollends überfordern.
In welchem Maße diese Politik bei ungezählten Menschen die Bedürftigkeits- und Armutsschwelle senkt, darüber freilich sprechen weder Kurt Beck noch andere.
Was Wunder, dass der Volksmund sich Luft macht, mal humorig, mal ironisch, mal sarkastisch:
»Steuerzahler ist, wer ohne Ausbildung zum Öffentlichen Dienst treu und brav für den Staat arbeitet.«
»Steuererhöhungen sind die Rache der Regierenden dafür, dass wir sie gewählt haben.«
»Ich höre immer 'Steuergeschenke'. Wie aber kann der Staat dem mündigen Steuerzahler eigentlich etwas schenken, das er ihm zuvor abgenommen hat?«
»Geld ist etwas, das nur kurz in deiner Tasche haltmacht - auf dem Weg zum Finanzamt.«
»Die einzige wirklich abartige Veranlagung, die ich kenne, wird vom Finanzamt verschickt.«
Hier also schließt sich der Ge- dankenbogen zwischen unbedenklichen Nahrungsmitteln und (eigentlich) unverdaulich schwerer Abzocker-Kost von Staats wegen.
Das Problem ist die Richtung.

Artikel vom 28.12.2006