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Deutscher Kapitän sitzt
zum Fest hinter Gittern

Nach Unfall in Alabama greift 100 Jahre altes Seerecht

Von Wolfgang Schäffer
Hamburg/Mobile (WB). Weihnachten gemütlich zu Hause im Kreis der Familie unterm Tannenbaum - das hat es für Kapitän Wolfgang Schröder im Laufe seiner 32 Jahre auf See ohnehin selten gegeben. Doch in diesem Jahr steht das Fest für den 59-Jährigen unter einem ganz besonders dunklen Stern. Er sitzt nach einem tödlichen Unfall im wegen seiner Härte berüchtigten Corrections-Center-Gefängnis im US-Staat Alabama.

Es ist ein tragischer Unglücksfall, der sich am 2. März dieses Jahres ereignet. Kapitän Schröder will mit seinem Containerschiff »Zim Mexico III« am Ladedock des Hafens von Mobile anlegen. Dazu muss er das 160 Meter lange Schiff der Hamburger Reederei Rickmers drehen. Für den erfahrenen Seemann ein Vorgang, wie das Einparken für einen Autofahrer.
Doch während des Manövers im Hafen fällt das Bugstrahlruder aus. Aufgrund der Probleme mit der Elektrik lässt sich die »Zim Mexico III« nicht mehr gegen Strömung und Wind ansteuern. Obwohl Schröder alles unternimmt, das riesige Schiff unter Kontrolle zu bekommen, rammt der Frachter das Dock. »Das Schiff berührte dabei einen Containerkran, der daraufhin umstürzte.
Auf dem etwa 65 Meter hohen Kran war ein Elektriker gerade mit Wartungsarbeiten beschäftigt. Der 46-jährige Arbeiter kam bei dem Sturz aus großer Höhe ums Leben«, schildert Marko Stampehl, Sprecher der Hamburger Rickmers Reederei das tragische Geschehen.
Sofort nach dem Unfall muss Schröder seinen Pass abgeben, damit er das Land nicht verlassen kann. Vier Wochen später wird der 59-Jährige von der Küstenwache verhaftet und kommt in den Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses - Seite an Seite mit Mördern und Vergewaltigern. Der Grund: nach einem 100 Jahre alten Gesetzestext reicht in einem Fall wie diesem schon einfache Fahrlässigkeit aus, um wegen fahrlässiger Tötung angeklagt zu werden. Und just das tut der Staatsanwalt.
Schröder wird seitdem behandelt wie ein Schwerverbrecher, wird zu Gesprächen mit seinem Verteidiger mit Fußfesseln vorgeführt. Ein Vorgehen, das der amerikanische Anwalt des deutschen Kapitäns aufs Schärfste verurteilt. »So etwas habe ich seit 30 Jahren nicht mehr erlebt«, sagt er fast hilflos in einem Interview mit dem NDR.
Hilflos ist er auch, als die Geschworenen das Urteil sprechen: »Schuldig wegen fahrlässiger Tötung«. Noch im Gerichtssaal werden Schröder Handschellen angelegt. Begleitet von zwei Marshalls wird er in die Zelle abgeführt. Das Strafmaß indessen steht noch nicht fest, soll im Februar verkündet werden. Bis zu zehn Jahre Haft sind möglich.
»Die Rickmers Reederei unterstützt Kapitän Schröder weiterhin uneingeschränkt. Er wird durch unsere Anwälte und das deutsche Generalkonsulat betreut. Unser Bestreben ist es, ihm die Haft so leicht wie möglich zu machen und ein möglichst geringes Strafmaß zu erreichen.« Der Sprecher der Reederei betont zudem, dass weltweit Fachkreise der Seeschifffahrt es für absolut ungerechtfertigt halten, einen Schiffsführer wegen eines tragischen Unfalls zu kriminalisieren und strafrechtlich zu belangen.
Einen Schiffsführer, der in diesem Fall sogar einst als Held gefeiert und geehrt wurde. Als die Fähre »Herald of Free Enterprise« 1987 im britischen Kanal unterging und 193 Menschen in den Tod riss, war Wolfgang Schröder als einer der ersten mit seinem Schiff vor Ort, um Passagiere aus dem Wasser zu retten. Ein Orden des belgischen Königs und Dankesschreiben der britischen Regierung waren damals die Belohnung.
Erinnerungen, die das Warten auf das Strafmaß auch nicht erleichtern werden.

Artikel vom 23.12.2006