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Mieze mit den langen Ohren
Im Altenheim bringt tiergestützte Therapie Abwechslung in den Alltag
Mit einem Lächeln streckt Dorothea Morgenstern ihre Hände nach Emil aus. »Ach, wie schön, da bist du ja wieder meine Miezekatze mit den langen Ohren!«
Liebevoll und vorsichtig streicht die 86-Jährige »ihrem« Emil über das seidige graue Fell. Dass er eigentlich ein Zwergkaninchen ist, ist für sie in diesem Moment unerheblich. Er ist da, um ein bisschen Abwechslung in ihren Alltag im Paderborner Altenheim St. Elisabeth zu bringen - nur das zählt.
Emil und seine beiden Artgenossen Murphy und Lotta leben in einem geräumigen Freigehege im Garten des Altenheims. Sie kommen aus dem Paderborner Tierheim. Yvonne Vossmann, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Tierheims, ist für ihr Wohlergehen verantwortlich. Unterstützung erhält sie dabei von den Mitarbeiterinnen des Seniorenheims sowie von den Senioren selbst, die ihre Schützlinge zum Beispiel mit Heu füttern.
Wie und warum die Tiere das Leben im Haus St. Elisabeth bereichern, haben die Mitarbeiterinnen und Yvonne Vossmann von Gabi Simon erfahren. Die Diplom-Sozialpädagogin hat eine Zusatzqualifikation für den Bereich »Tiergestützte Therapie und Pädagogik«. Sie beobachtet an diesem Nachmittag den Besuch von Emil bei Dorothea Morgenstern.
Die Seniorin ist währenddessen in ein angeregtes »Gespräch« mit dem Zwergkaninchen vertieft. »Das ist ja nett, dass du mich mal wieder besuchst, du Räuber. Ich habe dich ganz schön vermisst und dein weiches Fell ist so schön.« Sie wendet sich an Yvonne Vossmann. »Also für so ein Tier, da muss man doch Liebe empfinden, oder?« Und dann kichert sie ein wenig, denn Emil ist auf der Decke, die auf ihrem Bauch liegt, schnell ein Stücken höher gehüpft. Auch er scheint sich wohl zu fühlen bei der alten Dame im Liegesessel.
»Die Tiere erfüllen den alten Menschen ihr Bedürfnis nach emotionaler Nähe, Vertrautheit und Geborgenheit«, erläutert Gabi Simon, warum sie im Heim eine so wichtige Rolle erfüllen können. Außerdem bauen sie Brücken - sowohl zwischen Mitarbeiterinnen und Bewohnern, als auch bei den Bewohnern untereinander. Schließlich bieten sie Anlass für ein Gespräch. Deshalb bringt Heimleiterin Elke Josephs seit einigen Monaten auch ihren kleinen Mischlingshund Gismo mit zur Arbeit. »Er ist in der Tagesbetreuung der Demenzkranken ausgesprochen beliebt«, schmunzelt sie, »über Mangel an Streicheleinheiten kann sich Gismo jedenfalls nicht beklagen.«
Auch in der Eingangshalle des Heimes geht es tierisch zu. In zwei Volieren leben Kanarienvögel und Wellensittiche, gerade Gegenstand eines angeregten Gesprächs zwischen zwei älteren Herren. Was Yvonne Vossmann und weitere Ehrenamtliche in den Altenheimen leisten, fällt unter den Fachbegriff »Tiergestützte Aktivität«, die auch ohne qualifizierte Grundausbildung geleistet werden kann.
Werden Tiere pädagogisch oder therapeutisch eingesetzt, bedarf es einer entsprechenden Ausbildung, wie sie auch Gabi Simon absolviert hat. Sie selbst setzt beispielsweise ihre Borderterrier-Hündin Manou und zwei Kaninchen im Bereich der Frühförderung von Kindern ein. Letztlich, meint die junge Frau aus Altenbeken, merke jeder Tierbesitzer doch an sich selbst, welche positive Wirkung die Hausgenossen haben. »Da liegt es doch nahe, das auch gezielt einzusetzen.« Deshalb arbeitet sie nicht nur selbst mit Tieren und Menschen, sondern leitet Altenheime, Kindergärten und therapeutische Praxen, die Interesse an dieser Arbeit haben, auch an und begleitet sie.
Für Dorothea Morgenstern ist es jetzt Zeit, sich von Emil zu verabscheiden. Das fällt ihr nicht leicht. Noch einmal streicht sie liebevoll über sein Fell und dann lächelt sie plötzlich: »Du bist doch gar keine Katze, du bist ein Kaninchen!«
Wer sich selbst im Tierbesuchsdienst ehrenamtlich engagieren möchte, sollte folgende Voraussetzungen mitbringen: Freude am Kontakt mit Menschen, soziale Kompetenzen, Belastbarkeit, Motivation und Ausdauer sowie Wissen über Stressanzeichen beim jeweiligen Tier. Über Verstärkung würde sich Gabi Simon freuen.
Weitere Informationen gibt es per E-Mail: gabisimon_@gmx.de oder telefonisch: 0171 / 27 00 349 (ab 19 Uhr). Maike Stahl

Artikel vom 17.02.2007