23.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs

Dr. Dr. Markus Jacobs ist Pfarrer in der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist.

Feiern Sie »nur« Weihnachten, oder begehen Sie auch den Advent? Diese Frage ist etwas unglücklich gestellt, denn Weihnachten ist nie ein »Nur«. Das Fest, welches am 25. Dezember gefeiert wird, ist solch ein Geschenk, solch ein Entgegenkommen Gottes, ein solcher Versuch der Annäherung Gottes an den Menschen, dass all dies gar nicht mehr überbietbar ist. Und in diesen Tagen feiert die ganze Welt Weihnachten - nicht etwa nur die christliche.
Aber es gibt auch den Advent, die Erwartung der Ankunft Gottes. Diese wiederum wird eigentlich nur von Christen bewusst wahrgenommen. In diesem Jahr entstehen zwischen dem Advent und dem Weihnachtsfest fruchtbare und zum Nachdenken anregende Spannungen - wir erleben nämlich die kürzestmögliche Adventszeit: Der Heiligabend fällt auf den vierten Adventssonntag. Gibt diese Tatsache einen Anstoß, etwas vom Weihnachtsfest besser zu verstehen?
Mit dem Weihnachtsfest ist es wie mit einem wirklichen Geburtstag: Kinder kommen irgendwann und halten sich nicht an die errechneten Schwangerschaftstage - auch zur Überraschung mancher Eltern und Ärzte. Bei einer natürlichen Geburt ist ein Kind plötzlich da. Vielleicht hätte es ja eigentlich noch mehrere Tage oder Wochen Zeit gehabt, vielleicht war es schon lange überfällig gewesen. Doch der Tag, wenn es schließlich da ist, bleibt in jedem Fall ein Leben lang der Geburtstag. Und genau so kommt auch Weihnachten, ohne sich an den Advent zu halten.
Es gibt nämlich in den christlichen Gemeinschaften tatsächlich zwei Formen von Festtagen: Die einen hängen mit einem Datum zusammen, die anderen wandern durch das Jahr und werden an immer wechselnden Sonntagen oder Feiertagen begangen. Weihnachten liegt immer auf dem 25. Dezember. Ostern dagegen wird nie an einem festen Termin begangen, sondern an einem immer neu errechneten Sonntag im Frühjahr. Ebenso wechselt jedes Jahr das Datum von Christi Himmelfahrt, Pfingsten und anderen Festen.
Bei genauer Betrachtung fällt auf: Die Feste, die mit der Geburt Jesu zu tun haben, liegen auf einem festen Datum (Weihnachten, Epiphanie am 6. Januar, die Verkündigung der Geburt Jesu am 25. März und damit genau neun Monate vor Weihnachten). Alle anderen Christusfeste dagegen wandern. Man kann sagen: Die menschlichen Geheimnisse werden an einem festen Datum begangen, Auferstehung und Himmelfahrt hingegen, Geistsendung und andere Geheimnisse der Öffnung für das Göttliche sollen eher nicht terminlich fixiert, eingeengt werden.
Aber auch die Zeit vor Weihnachten, der Advent - also die Erwartung der Geburt Jesu -, wird nicht an stabile vier Wochen gebunden. Man kann nämlich nicht nach Terminkalender zu hoffen beginnen. Hoffnung und Sehnsucht nach der erlösenden Nähe Gottes wachsen langsam. Genau deshalb stehen der Advent und das Weihnachtsfest in einer heilsamen Spannung. In diesem Jahr ist diese Spannung am stärksten: Heiligabend fällt auf den 4. Adventssonntag; der Advent dauert somit nur drei Wochen. Das geistliche Bemühen der Menschen und das geschichtliche Handeln Gottes reiben sich gewissermaßen aneinander.
Und bei dieser Reibung ist der Ausgang klar: Gott gewinnt immer! Er ist souverän in seiner Gnade. Gott schenkt, wann er will - nicht erst dann, wenn der Mensch endlich bereit ist. Gott sei Dank ist dies so, denn wer weiß, ob wir sonst je bereit wären.
Deshalb kann man Weihnachten auch ganz ohne Vorleistungen feiern. Gott liebt so, dass er den Menschen auch ohne abgeschlossene Vorbereitung mit seiner Nähe beschenkt. Er wird Kind, wird Mensch, er kommt so nahe, wie es näher und liebenswürdiger nicht geht. Dies spürt unsere Welt, dies spürt fast die ganze Menschheit - und möchte mitfeiern. Und wer in diesen Tagen anderen eine Freude bereitet, der lässt im Gefolge Gottes diese Welt ebenfalls liebenswürdiger werden. Wir können somit uns allen gegenseitig nur eines wünschen: dass dieses Fest Gottes, dass das Geschenk seiner Gnade unter uns immer größer werden möge - zum Glück für jeden einzelnen von uns Menschen, zum Glück unserer Menschheit!

Artikel vom 23.12.2006