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Hunger messen und bekämpfen

Neuer Welt-Index stuft Malawi als »sehr ernst« ein - Schlusslicht Burundi

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Die Bekämpfung des Hungers erzielt in Teilen der Welt Fortschritte. Das große Ziel, den Hunger insgesamt bis 2015 zu halbieren, wird aber verfehlt. Das zeigt ein neuer Welthunger-Index.

Die Ernährungslage in Malawi, Zielland der WESTFALEN-BLATT-Weihnachtsaktion 2006, wird als »sehr ernst« eingestuft. Obwohl der Staat in Südostafrika frei von Kriegen ist, rangiert Malawi unter 116 Ländern auf dem 90. Platz. Die Situation ist ähnlich schwierig wie in Bangladesch und Sudan. In Burundi und Eritrea sind die Verhältnisse am schlimmsten.
2015 werden immer noch 610 Millionen Menschen Hunger leiden - 32 Millionen mehr als sich die Chefs von 189 Staaten im Jahr 2000 gegenseitig versprochen hatten. Dazu der Direktor des Internationalen Forschungsinstituts für Agrar- und Ernährungspolitik (IFPRI), Joachim von Braun: »Den Ärmsten der Armen fehlen ausreichend einflussreiche Stimmen, um ihre elementaren Anliegen zu Gehör zu bringen.« Gemeinsam mit der Deutschen Welthungerhilfe hat von Braun den Index entwickelt, da es bislang keine anerkannte Messgröße zur Erfassung des Hungers und der Veränderungen in einzelnen Ländern gab.
Seriöse Lobbyarbeit müsse auf Fakten und stichhaltigen wissenschaftlichen Schlussfolgerungen beruhen, sagt auch Hans-Joachim Preuß, der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe.
Der Welthunger-Index basiert auf drei gleichwertigen Faktoren: - Anteil der Unterernährten in der Bevölkerung in Prozent,
- Anteil der Kinder unter fünf Jahren mit Untergewicht und
- Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren.
Dieser Welthunger-Index hat den Vorteil, dass sein Konzept über die Verfügbarkeit von Energie aus Nahrungsmitteln (Kalorienzufuhr) hinausgeht. Damit begnügt sich die bislang einzig übliche Messgröße, mit der die Welternährungsorganisation noch arbeitet.
Weil Hunger viele Gesichter habe, genüge es nicht sich allein darauf zu beschränken, ob Nahrung überhaupt erreichbar sei, heißt es in der Studie. Ideal wäre es, meint Mitautorin Doris Wiesmann, zusätzlich auch den Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen einzubeziehen. Doch dafür fehlt eine internationale Datenbasis.
Der Index soll jedes Jahr aktuell vorgelegt werden können. Wichtig sind den Hilfsorganisationen gerade Veränderungen, die gute und schlechte Regierungsführung ebenso anzeigen, wie Einflüsse volkswirtschaftlicher Fortschritte oder von Investitionen ins Gesundheitssystem eines Landes.
Der Indexwert beispielsweise von Malawi mit 25,4 von 100 möglichen (Minus-)Punkten zeigt, dass die Lage seit 1992 (33 Punkte) etwas besser geworden ist. Kenner des Landes führen das auf erste Erfolge in der Agrarpolitik zurück. Hauptursache für das schlechte Abschneiden trotz verbesserter Landwirtschaft und Frieden ist die hohe Aids-Rate. 15 Prozent aller jungen Frauen tragen das tödliche Virus in sich.

Artikel vom 23.12.2006