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Gastspiel in Nigeria: Anne Pollmann. Foto: Tipp

Als erste Weiße in Nigeria am Ball

Paderbornerin schreibt Geschichte

Von Hans Peter Tipp
Paderborn (WB). Leicht fiel der Paderbornerin Anne Pollmann im August der Abschied von ihren Mannschaftskolleginnen beim Verbandsligisten SV Benhausen nicht. Aber die 22-Jährige hatte sich für ein halbes Jahr soziale Arbeit auf eigene Initiative und eigene Kosten entschieden - ein halbes Jahr ohne Fußball. Ihr Ziel: Nigeria. Dort dort kam dann alles doch ein wenig anders.

Ganz unvermittelt hat die junge Fußballerin, die in ihrem Heimatverein einen sicheren Part auf dem Liberoposten spielt, Sportgeschichte geschrieben. Als erste weiße Frau kickt sie in der nigerianischen Liga. »Hier haben zwar schon Ausländerinnen mitgespielt, aber die kamen alle aus Afrika«, berichtet Anne Pollmann aus Ibadan, mit neun Millionen Einwohnern der zweitgrößten Stadt des westafrikanischen Landes.
Sport stand in Nigeria für sie gar nicht auf dem Plan, denn der Tagesrhythmus als Betreuerin in einem Heim für mütterlose Kinder sieht eigentlich keine Freizeit vor. Weit mehr als acht Stunden am Tag benötigen die 20 Kleinen im Alter bis zu drei Jahren so viel Zuwendung und Aufmerksamkeit wie irgend möglich. Zum Fußballtraining bleibt da für den Gast aus Deutschland kaum Zeit.
Ihre Mitspielerinnen vom Nito Queens FC (2. Liga) üben jeden Tag, mitunter sogar zwei Mal. »Morgens muss ich immer arbeiten, aber nachmittags versuche ich, so oft es geht, dabei zu sein«, erzählt die Paderbornerin.
Von den Bedingungen zu Hause hat sie sich jedoch ganz schnell verabschiedet. Während in Benhausen der Ball auf Kunstrasen recht rund läuft, ist der Platz in Ibadan eher tückisch. »Unser Trainingsfeld ist mit Löchern übersät, drumherum wachsen hohes Gras und Büsche. Die Tore sind improvisierte Eisengestelle, aber es funktioniert«, erzählt die Nigerianerin auf Zeit.
Auch eine Auswärtspartie ist nicht mal so eben bestritten. Das Land ist riesig, die Fahrten im viel zu kleinen Mannschaftsbus zum Gegner dauern bisweilen 20 Stunden. Bei Spielen in der Hauptstadt Lagos war das Team mit 17 Spielerinnen in zwei kleinen Zimmern ohne fließendes Wasser untergebracht. Größtes Erfolgserlebnis war für Anne Pollmann bisher, beim Aufstieg in die höchste Spielklasse mit dabei gewesen zu sein, wenn auch nur als Einwechselspielerin. Doch wer nach solch einem Erfolg an die große Sause denkt, der irrt. »Nach dem Spiel sitzen nicht alle zusammen und trinken gemütlich erstmal ein Bierchen, sondern jede muss erst ihr Trikot waschen, mit der Hand natürlich.«
Überhaupt laufe das meiste mit Improvisation und noch mehr mit gutem Willen. »Hier ist vieles sehr unorganisiert, doch am Ende klappt alles irgendwie«, hat die Paderbornerin festgestellt, die sich in der Mannschaft sehr gut aufgenommen fühlt. »Alle sind sehr nett zu mir, obwohl die meisten viel besser Fußball spielen als ich«, berichtet Anne Pollmann.
Und noch ein großer Unterschied: Im überwiegend von Moslems bewohnten Nigeria spielt der Glaube eine viel größere Rolle als in Europa: »Vor dem Spiel, in der Halbzeit und nach dem Spiel wird hier immer gebetet. Für die Menschen ist ihr Glaube alles und bedeutet sehr viel: Man singt, betet, spielt Fußball und hat Spaß - so ist das eben.«

Artikel vom 23.12.2006