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Eine Soziologin mitten
im bewaffneten Kampf

Sarah Potthoff beobachtet   Konflikt um Landbesitz auf den Philippinen

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Die Eltern jubeln nicht gerade, aber Sarah Potthoff ist guten Mutes: Am 30. Dezember feiert sie noch ihren 28. Geburtstag, und eine Woche später fliegt sie auf die Philippinen. Mitten hinein in einen mörderischen Konflikt.

Denn auf der Halbinsel Bondoc, südöstlich der Hauptstadt Manila wurden bereits vier Menschen ermordet. Erschossen, weil sie ein wenig Land haben wollten: Im Agrarreformprogramm von 1988 wurden jeder hungernden Familie drei Hektar Anbaufläche garantiert, Regierungsland, aber die regionalen Großgrundbesitzer blockieren die Reform.
»Sie schikanieren die Kleinbauern, bewaffnen Wachleute, verhindern die Ernte, machen nachts die Dörfer unsicher und verbieten ihren verarmten Landsleuten, zwischen den in großem Stil angebauten Kokospalmen wenigstens ein paar Feldfrüchte zu pflanzen«, berichtet Sarah Potthoff. Die Bielefelder Soziologin und Literaturwissenschaftlerin, die gerade mit sehr gutem Erfolg ihren Magister machte, möchte dabei helfen, die unhaltbaren Zustände zu ändern.
»Mein Engagement ist ehrenamtlich, aber ich sammle hier unschätzbar wertvolle Kenntnisse für mein späteres Berufsleben.« Öffentlichkeits- und Pressearbeit, Umgang mit Lobbyisten, Auslandserfahrungen - die gebürtige Gütersloherin, die hofft, später für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) publizistisch tätig werden zu können, scheut auch nicht die Gefahr für Leib und Leben.
»Allerdings werden wir in dem Konflikt neutral, passiv und unparteiisch bleiben«, versichert Sarah Potthoff. »In Wort und Bild dokumentieren wir Demonstrationen und sonstige Vorfälle. Und wir wollen mit den lokalen Bürgermeistern, mit dem omnipräsenten Militär und, wenn möglich, auch im Agrar- und Justizministerium in Manila Gespräche führen.« Denn je mehr Leute von den Menschenrechtsverletzungen auf Bondoc, in Dörfern wie Villa Reyes und Tala, Catulin und Pagsangahaan, in San Vicente und Casay erfahren, desto schwerer hat es die ländliche Filzokratie.
Sarah Potthoff weiß zwar, dass ihr Status als Europäerin einen gewissen Schutz bietet. Andererseits hat die Regierung, in der die einzigen Entscheidungsträger sitzen, die die Menschenrechtsverletzungen stoppen können, sie nicht ins Land eingeladen. »Man scheint umgänglich zu sein, aber keineswegs erfreut, uns zu sehen.« Wie erfreut, wird sich zeigen, wenn die nur zwei Monate gültigen Visa für die letzten vier Wochen verlängert werden müssen. »Eine erste Gruppe deutscher Beobachter ist seit Ende Oktober aktiv, aber wir haben noch keine Informationen zur Visa-Frage.«
Sarah Potthoff baut auf die deutsche Öffentlichkeit. Jeder Beobachter baute einen eigenen »Unterstützerkreis« auf, an den alle zwei Wochen aus der Kleinstadt Luzena E-mails mit den neuesten Nachrichten geschickt werden. Die mutige Bielefelderin hat unter anderem die Grünen-Politikerin Britta Haßelmann angeschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Dafür sagte das »Welthaus« an der August-Bebel-Straße zu, als Multiplikator zu wirken.
Über die Bielefelder »Fian«-Gruppe, eine Organisation für das Recht auf Nahrung, knüpfte Sarah Potthoff Kontakte zum Hamburger IPON (Internationales Friedensbeobachtungsnetzwerk), unter dessen Flagge sie auf die Philippinen fliegt. Die Unterkunft bei den Bauern ist frei, obwohl der letzte Taifun viele Hütten zerstört hat, »und an der Verpflegung beteiligen wir uns mit dem Kauf von Lebensmitteln«. Aber auch die sind nach dem tropischen Sturm knapp. Sarah Potthoff stürzt sich in ein echtes Abenteuer.

Artikel vom 22.12.2006