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Palästinenser-Präsident Abbas:
Treffen mit Olmert letzte Chance

Europaparlaments-Delegation unter Broks Leitung in Palästina und Israel

Von Dirk Schröder
Ramallah/Jerusalem (WB). Die große Mehrheit der Palästinenser lehnt die Feindseligkeiten in den Palästinensergebieten ab. Diese hatten in den vergangenen Wochen bis an den Rand eines Bürgerkriegs geführt. Seit nunmehr zwei Tagen wird der ausgehandelte Waffenstillstand in Gaza weitgehend befolgt.
Ehud Olmert ist bereit zu einem Treffen mit dem palästinensischen Präsidenten. Foto: Reuters
Sieht Bewegung im Nahen Osten: Elmar Brok.

Gegenüber einer Delegation des Europäischen Parlaments betonte der gemäßigte Präsident der Palästinenser, Mahmud Abbas, gestern in Ramallah denn auch, dies sei ein Streit zwischen zwei Parteien, die die Macht für sich wollten. Er schließe eine sich gründende dritte palästinensische Kraft nicht aus, äußerte Abbas gegenüber dem Leiter der Parlamentsdelegation, dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses und Bielefelder CDU-Abgeordneten Elmar Brok.
Abbas sträubt sich nicht gegen eine Einheitsregierung, wie er betonte, doch will er seine Forderung nach Neuwahlen weiterhin in der Hinterhand halten. Die seit zehn Jahren schwersten innerpalästinensischen Auseinandersetzungen hatten sich, wie berichtet, an der Absicht Abbas' entzündet, den Machtkampf durch vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen zu beenden. Die Hamas lehnt diese Pläne als verfassungswidrig ab, wohl auch, weil sie einen islamischen Staat wünscht. Abbas aber kann sich ein Palästina nur auf demokratischer Ebene vorstellen.
Wie Brok gestern gegenüber dieser Zeitung telefonisch aus Ramallah berichtete, wünscht sich Abbas ein schnelles Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert. Auf Broks Bemerkung, der 25. Dezember sei ein guter Termin, da sei vor 2000 Jahren schon mal etwas passiert, meinte Abbas, das Treffen sei diesmal nicht ganz so wichtig wie damals. Doch der palästinensische Präsident macht auch unmissverständlich klar, dass dies die letzte Gelegenheit sei, um Fortschritte zu erzielen. Seit seinem Amtsantritt im Januar hatte sich Olmert nicht mehr mit Abbas getroffen.
Abbas legt nach den Worten Broks großen Wert darauf, dass sich das sogenannte Nahost-Quartett - bestehend aus den Vereinten Nationen, der Europäischen Union, den USA und Russland - wieder maßgeblich in den Friedensprozess einschaltet. Aus diesem Grund haben sich gestern auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein russischer Kollege Sergej Lawrow in Moskau für eine rasche Tagung des Quartetts ausgesprochen. Es gebe derzeit bei der Lösung der Nahost-Krise eine Defizit an »kollektiver Führung«.
Abbas begrüßte gestern auch, dass für Bundeskanzlerin Angela Merkel die Nahost-Krise ein Schwerpunkt ihrer kommenden EU-Ratspräsidentschaft sein soll. Abbas: »Ich würde Frau Merkel in dieser Zeit gern einmal in Berlin besuchen.«
Auch auf israelischer Seite nimmt das Bewusstsein zu, dass man sich bewegen muss. Das haben gegenüber Brok die israelische Außenministerin Tzipi Livini und Regierungschef Olmert versichert. Livini: »Die Bereitschaft auf unserer Seite ist vorhanden.«
Auch Olmert machte deutlich, dass er sich »sehr bald« mit Abbas treffen und ihm so den Rücken stärken will. Aus diesem Grund hatte bereits am Dienstag überraschend ein Treffen von Olmert und dem jordanischen König Abdullah in Amman stattgefunden.
Zudem erwägt Israel, die Freigabe von Steuereinnahmen, die es seit dem Wahlsieg der radikalen Hamas zurückhält. Regierungsvertreter deuteten gegenüber Brok an, dass Israel diese Gelder schrittweise freigeben könnte. Mehrere hundert Millionen könnten an Abbas gehen. Auch die EU hatte den Palästinensern den Geldhahn zugedreht. Deshalb sind die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst in den Palästinensergebieten seit Monaten nicht mehr bezahlt worden. Brok: »Eine Freigabe der Gelder würde Abbas und seiner gemäßigte Fatah sehr helfen.«
Elmar Brok hat in Israel bei seinen vielen Gesprächen festgestellt, dass in Politik und Öffentlichkeit die Überzeugung zunimmt, die arabischen Nachbarn müssten stärker in den israelisch-palästinensischen Konflikt einbezogen werden. Eine israelische Zeitung hat jetzt zu einer öffentlichen Debatte darüber aufgerufen, die Regierung in Tel Aviv solle auch mit Syrien reden.

Artikel vom 22.12.2006