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Jedes Spiel hat auch Verlierer

Spielwaren-Hersteller bauen auf Weihnachtsgeschäft -ÊNintendo sahnt ab

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Das große Spiel läuft für die Spielwarenbranche immer vor Weihnachten. Etwa 40 Prozent des Jahresumsatzes werden jetzt erwirtschaftet. Doch während im Augenblick draußen die Temperaturen bemerkenswert warm sind, führt der Klimawandel bei den Spielwaren eher zu frostigen Temperaturen.
Martin Böckling führt die Gruppe Spiel & Spaß.

Große Spieler unter den Anbieter sind Mattel (Barbie, Fisher-Price), Lego (einschließlich Duplo), Playmobil, Ravensburger, Hasbro (inklusive MB und Parker) sowie Simba-Dickie (einschließlich Goldsieber). Alle sechs vereinigen auf sich 41 Prozent der 2,27 Milliarden Euro, die die Branche im vergangenen Jahr umgesetzt hat. Im sich anschließenden Mittelfeld tummeln sich Unternehmen wie Schmidt-Spiele, Steiff, Märklin, Zapf, Bruder und Revell.
Die restlichen fast 1000 Unternehmen tun sich schwer gegen die Konzentration bei Einkaufsgruppen und die Konkurrenz aus Billigländern. Martin Böckling, seit wenigen Wochen neuer Geschäftsführer der zur Bielefelder EK Servicegroup gehörenden Kette der »Spiel und Spaß«-Läden, schätzt bei Puppen und Plüschtieren den Anteil deutscher Produktion auf nur noch fünf Prozent. 85 Prozent werden dagegen in China hergestellt -Êzu Billigstlöhnen und teilweise sogar unter menschenunwürdigen Bedingungen. Dieser Druck fordert Opfer: Nici beispielsweise konnte sich trotz Rückenwinds durch das WM-Maskottchen Goleo nur knapp vor dem Konkurs retten.
Man sieht: Die Spielwaren-Branche ist alles andere als eine heile Welt. Das gilt auch für die Modelleisenbahnen. Zunächst geriet die Firma Roco in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Dann konnte sich Märklin 2006 mit Mühe unter das Dach des Finanzinvestors Kingsbridge flüchten. Während bei dem Marktführer inzwischen die Weiche wieder auf Aufwärtsfahrt gestellt ist, fuhr vor kurzem der drittgrößte Hersteller Ernst Paul Lehmann in die Insolvenz.
Böckling sieht bei den Modelleisenbahnen allerdings auch hausgemachte Probleme: »In den vergangenen Jahren hat sich die Branche aufgrund des Preisgefüges immer mehr in den Bereich der Sammlerartikel für einkommensstarke Zielgruppen bewegt.« Erst in neuerer Zeit zeichne sich ein Preis-Leistungsverhältnis ab, das auch für Jugendliche wieder interessant sei, zumal moderne Geräuschmodule und Lichtanimationen zusätzliche Kaufanreize schafften.
Bei einem anderen Unternehmen kullerten dagegen 2006 die Tränen. Nach Bilanzskandal und roten Zahlen ist von der alten Zapf AG, dem Hersteller von Baby Born und Baby Annabelle, nicht mehr viel übrig. Die Marken-Puppen werden jetzt von MGA, dem Erfinder der frechen Bratz-Konkurrenz, vermarktet.
Gut laufen Böckling zufolge in diesem Weihnachtsgeschäft außer Nintendo Wii und anderen Elektronik- und Videospielen Piratenthemen und Römerszenarien. Schleich-Modellfiguren seien gefragt. Auch Familienspiele und Lernspielzeug erzielten steigende Umsätze.
Im Handel konkurriert Spiel und Spaß außer mit den Discountern und Kaufhäusern sowie den Elektronik-Fachgeschäften auch mit den Einkaufsgruppen Vedes (Nürnberg) und Idee + Spiel (Hildesheim). Um in diesem harten Spiel zu bestehen, will Böckling die Entwicklung von Spiel und Spaß zu einer »Marke« für gutes Spielzeug noch verstärken.

Artikel vom 22.12.2006