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Erst-Täter sehen die »Gelbe Karte«

Schnell-Prozess gegen Jugendliche

Von Petra Albers
Remscheid (dpa). Den Tränen nahe sitzt das Mädchen vor dem Jugendgerichtshelfer in Remscheid. »Ganz spontan« und »ohne nachzudenken« habe sie den Lippenstift in der Drogerie gestohlen, sagt die 14-Jährige.
Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter
Der Mitarbeiter des Jugendamtes redet ihr streng ins Gewissen. Über die Strafe entscheidet unmittelbar danach Staatsanwalt Bernd Hogrebe: Zehn Stunden Arbeit in einem Krankenhaus. »Gelbe Karte« heißt das wissenschaftlich begleitete Projekt für jugendliche Straftäter, das NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) in den nächsten Monaten auf ganz NRW ausdehnen will. Bislang gibt es »Gelbe Karte«-Termine in Remscheid, Solingen, Wuppertal, Hilden, Düren, Bonn, Hagen und Köln. In Aachen und Mettmann sind sie in Planung.
Etwa 30 Verdächtige zwischen 14 und 21 Jahren werden zu einem Termin »Gelbe Karte« in die Remscheider Polizeiinspektion vorgeladen - in Begleitung ihrer Eltern. Dort werden sie zunächst von einem Polizeibeamten vernommen und sprechen anschließend mit einem Mitarbeiter des Jugendamtes, der den Fall Staatsanwalt Hogrebe zur Entscheidung vorlegt. Die meisten der Jugendlichen sind zum ersten Mal straffällig geworden. Oft geht es um Delikte wie Ladendiebstahl, Schwarzfahren oder Mofa-Frisieren.
»Das wichtigste ist, dass die Jugendlichen möglichst bald nach der Tat bestraft werden«, sagt Hogrebe. Das Konzept scheint erfolgreich: Seit dem Start des Projekts in Remscheid vor fünf Jahren haben 1800 Jugendliche einen solchen Warnschuss erhalten - 95 Prozent von ihnen sind nach Angaben von Staatsanwaltschaft und Justizministerium danach nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten.
»Beim Jugendstrafrecht ist der Erziehungsgedanke die Leitlinie«, erläutert Hogrebe. Daran orientiert er sich bei den Strafen: Ein Auszubildender, der mit einem fremden Monatsticket gefahren ist, muss 25 Stunden im Tierheim arbeiten. Einen Jungen, der ein Mofa frisiert hat, verdonnert der Jugendstaatsanwalt zur Teilnahme an einem Verkehrskurs.
»Die Jugendlichen sollen spüren, dass die Gesellschaft Grenzen setzt und auch durchsetzt«, sagt Ministerin Müller-Piepenkötter. »Das Projekt Gelbe Karte macht ihnen deutlich, dass beim nächsten Regelverstoß die Rote Karte gezückt wird.« Das bedeutet eine Anklage. Jugendlichen drohen dann bis zu vier Wochen Arrest.

Artikel vom 22.12.2006