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Bertelsmann

Wieder eine
große Familie

Bertelsmann, einer der vier größten Medienkonzerne der Welt, befindet sich wieder in Familienhand. Der Rückkauf des 25-prozentigen Aktienpakets von der Brüsseler Investorengruppe GBL war dem Unternehmen 2006 immerhin 4,5 Milliarden Euro wert.


Bertelsmann hat seinen Umsatz 2006 nach vorläufigen Schätzungen um fast ein Zehntel gesteigert. Alle Geschäftsbereiche haben sich gegenüber dem Vorjahr verbessert. Die Umsatzrendite ist noch weiter an die angepeilten zehn Prozent herangerückt. Schon 2008 sollen die durch den Aktienrückkauf angehäuften Schulden wieder auf Normalmaß zurückgeführt sein. Wenn es klappt, eine tolle Leistung.
Doch die Berichterstattung über Bertelsmann kreiste 2006 fast ständig um zwei andere Themen.
Das eine wurde bereits erwähnt: Wieviel Milliarden Euro ist den Güterslohern der Verzicht auf einen Börsengang wert?
Die zweite Frage ist auch zum Jahreswechsel noch nicht wirklich geklärt: Wer wird 2007 Nachfolger des Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Dr. Gunter Thielen?
Als Medienkonzern weiß Bertelsmann natürlich, wie die Journalisten »ticken«. Albert Frère gegen Liz Mohn. Hartmut Ostrowski (Arvato) gegen Ewald Walgenbach (Direct Group) und Gerhard Zeiler (RTL). Solche Auseinandersetzungen mit zunächst offenem Ausgang sind einfach faszinierend.
Da mochte Thielen noch so oft versichern, Bertelsmann könne »genau so gut« als börsennotiertes Unternehmen in die Zukunft gehen: Die Kaufsumme, auf die er sich am Ende mit Frère geeinigt hat, widerlegt ihn. Dabei sind die 25 Prozent nicht einmal überbezahlt. Den Grundstein für ein gutes Geschäft hat CBL jedoch schon beim Einstieg gelegt, als der Fonds seine RTL- gegen Bertelsmann-Aktien eintauschte. Eingefädelt hatte das Geschäft der damalige Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff. Warum Reinhard Mohn zustimmte, bleibt auch rückblickend ein Rätsel. Frère hatte jedenfalls mit der Option des ungeliebten Börsengangs danach ein dickes Pfand in der Hand.
Ungeliebt war der Börsengang, weil er die Bertelsmann-Kultur in Frage stellte. Auf dem Parkett plant man gerne kurzfristig mindestens in Quartal- und am liebsten noch in Monatsberichten. Flops, wie sie das Gütersloher Modell, Verantwortung zu delegieren, durchaus zulässt, würden an der Börse regelmäßig einen Kursrutsch auslösen. Die meisten Aktionäre lieben es nicht besonders, wenn neben ihnen noch andere mitbestimmen wollen.
Diejenigen, die besonders kritisch mit Bertelsmann umgehen, glauben außerdem an eine Abneigung der Familie und des Managements, jeden investierten Cent und jede kleine Personalentscheidung öffentlich begründen zu müssen. Immerhin hat der Vorstand um Gunter Thielen das Gespenst Börse dazu genutzt, den Konzern stärker auf Rendite auszurichten. Zehn Prozent sind, wenn sie in Kürze erreicht werden, eine Marge, um die manches Dax-Unternehmen die Gütersloher beneiden wird.
Zweieinhalb Wochen vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung ist immer noch nicht klar, wer Thielen am Jahresende auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden folgen wird. Zählt man die Nennungen in den zahlreichen spekulativen Berichten und vergleicht man die wirtschaftlichen Erfolge der Kandidaten, ist Hartmut Ostrowski inzwischen unzweifelhaft der Favorit. Er ist zudem der einzige Ostwestfale in dem jetzigen Vorstand. Und er würde auf ausgetretenen Pfaden wandern: Schon Mark Wössner, Thomas Middelhoff und Gunter Thielen selbst hatten sich mit Erfolgen bei Arvato bzw. der Vorgängerfirma Bertelsmann Industrie für den ganz großen Sprung an die Spitze empfohlen. Schlecht gefahren ist der Konzern mit keinem von ihnen.
Trotzdem: Sicherheit gibt es erst, wenn der Aufsichtsrat entschieden hat. Das ist so, besonders in Familienunternehmen.
Für Unternehmerfamilien ist das die Kehrseite von Einfluss, Ruhm und Geld: Ihre Kinder unterliegen besonderer Beobachtung. Christoph Mohn, dessen Name im vergangenen Jahr originellerweise auch immer wieder als Nachfolger für Thielen genannt wurde, machte diesen Spekulationen vor wenigen Wochen dadurch ein Ende, dass er sich in den Aufsichtsrat der Bertelsmann AG wählen ließ. Derzeit ist Mohn noch vollauf damit beschäftigt, das Internetportal Lycos aus der jahrelangen Verlustzone herauszuführen. Neben Christoph dürfte übrigens auch seine Ehefrau Shobna Mohn künftig im Konzern eine größere Rolle spielen.
Das gilt vermutlich auch für die einzige Tochter von Liz und Reinhard Mohn, Brigitte. Die promovierte Politikwissenschaftlerin ist seit zwei Jahren Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung und betreut dort vor allem den Bereich Gesundheit. Dort wird sie in einem Jahr eng mit Thielen zusammenarbeiten, der nach seinem Ausscheiden aus der AG den Vorsitz der Stiftung übernehmen soll. Außerhalb des Unternehmens folgte Brigitte Mohn zudem ihrer Mutter im Vorsitz der Deutschen Schlaganfall-Stiftung. Im Konzern aber ist Liz Mohn weiter die starke Frau, an der bis auf Weiteres nichts vorbeiführt.

Ein Beitrag von
Bernhard Hertlein

Artikel vom 30.12.2006