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Der Reiter bleibt ein
ewiges Mysterium
Hotel-Neubau entzweit die Bamberger und erzürnt Denkmalschützer
Wer Bamberg von seinen schönen historischen Seiten kennenlernen will, sollte mit einem Besuch der bayerischen Stadt nicht mehr allzulange warten.
Ein umstrittenes Bauprojekt könnte den Reiz Bambergs bald weitgehend zunichte machen. Der Hotel-Neubau »Untere Mühlen« besitzt nämlich durchaus das Potenzial, den Weltkulturerbe-Status der Stadt zu gefährden. Nachdem die UNESCO durch entsprechende Drohungen schon in Köln und Dresden völlig unsinnige Bauprojekte in Frage gestellt hat, wäre es sinnvoll, die Verantwortlichen in Bamberg ebenfalls unter Druck zu setzen. Engagierte und weitsichtige Bamberger Bürger machen ihren Stadtvätern ohnehin schon die Hölle heiß, um diesen städtebaulichen Totalschaden zu verhindern.
Einstweilen gibt man sich jedenfalls »weitgehend wanzenfrei und fast ohne Flöhe!« Eine solch verlockende Unterkunft verspricht der Benediktinermönch Berengar den angereisten Touristen in Bambergs neuester Schauspielführung »Himmel und Hölle«. In dem historischen Stadtschauspiel ersteht das mittelalterliche Bamberg wieder. Da ist die Erde eine Scheibe, die Frau gottgegeben dem Manne untertan und der Leibhaftige mitten unter uns.
Ein Spaziergang durch Bamberg kommt einer Zeitreise gleich. Wer auf eigene Faust die Stadt erkunden will, fängt am besten auf dem Domberg an. Das herrliche Ensemble hoch über der Stadt ist ein bauliches Juwel -Êund im riesigen Gotteshaus finden sich Kunstwerke von Weltrang: Tilman Riemenschneiders Hochgrab des Stifterpaares Kaiser Heinrich II. undÊ Kunigunde, der Marienaltar von Veit Stoß, das Grabmal des Bischofs Friedrich von Hohenlohe und das Papstgrab von Clemens II., die einzige vom Vatikan anerkannte Grablege eines Papstes nördlich der Alpen.
Die bekannteste und zugleich geheimnisvollste Sehenswürdigkeit ist jedoch der »Bamberger Reiter«. Die Steinskulptur stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, vermutlich vor der Weihe des Dom-Neubaus 1237. Sie befindet sich auf einer Konsole am Nordpfeiler des Georgenchors.
Man kann das Ideal ritterlicher Gesinnung hineininterpretieren, man kann sie aber auch als Abbild einer historischen Person ansehen, wobei die Krone auf einen König hindeutet und die Tatsache des Standortes in einer Kirche auf einen Heiligen.
Eine andere Deutung spricht von der symbolischen Abbildung der gesamten Welt. Der auf der Konsole rechts unter dem Sockel dargestellte Dämon stellt demnach die Unterwelt dar, darüber kommt die Pflanzenwelt, dann die Tierwelt, sodann der Mensch und darüber veranschaulicht der Baldachin die schwebende Stadt Jerusalem und das Weltall.
Ganz aktuell ist die ebenfalls nicht von der Hand zu weisende Interpretation, dass der waffenlose und mit einem Tasselmantel bekleidete, gekrönte Reiter den am Ende der Zeiten wiederkehrenden Messias aus der Offenbarung des Johannes darstellt.
Neben dem viertürmigen Kaiserdom sind auf den sieben Hügeln der Stadt weitere Kirchen sehenswert: Die Pfarrkirche St. Gangolf ist in ihrem Grundbestand die älteste Kirche Bambergs. St. Jakob ist die einzige fast vollständig romanische Kirche Bambergs. Das ehemalige Benediktinerstift St. Michael wurde bereits 1015 auf Anregung von Kaiser Heinrich II. gegründet.
Inmitten der Bürgerstadt befindet sich die von Georg Dientzenhofer in prachtvollem Jesuitenbarock geschaffene St.-Martins-Kirche.
Ganz in der Nähe des Doms thront übrigens ein herrschaftliches Haus hoch über der Regnitz. Auf engen Gassen wandert man dorthin, um die nun dort beheimateten Künstler zu besuchen. Im Garten der Villa Concordia lässt sich eine Ausstellung mit Skulpturen von Markus Lüpertz bestaunen, die im scharfen Kontrast zur ansonsten barocken Anlage stehen.
Thomas Albertsen

Artikel vom 30.12.2006