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Ein Autor wird »entlarvt«

Denis Demonpion schreibt über Michel Houellebecq

Von Hartmut Horstmann
Bielefeld (WB). Um den französischen Skandal-Autor Michel Houellebecq ist es ruhig geworden. Vorbei scheintÊdie Zeit des erfolgreich eingesetztenÊTabubruchs, der sich gegen Alt-Hippies und Muslime gleichermaßen richten konnte.
Der französische Skandal-Autor Michel Houellebecq.Foto: dpa

Für Gesprächsstoff sorgt allerdings eine neue Biographie über den Autor. Die überraschendste, wenn auch nicht spektakulärste Botschaft: Houellebecq ist nicht Houellebecq. Vielmehr hat der Biograph Denis Demonpion herausgefunden, dass der Autor eigentlich Michel Thomas heißt und dass auch das vermeintliche Geburtsdatum nicht der Wahrheit entspricht.ÊKonsequent hat Herr Thomas versucht, alle Spuren zu verwischen - und in dieser Rigorosität liegt die Besonderheit, die seinen Fall von anderen Künstlernamen-Trägern wie zum Beispiel Bob Dylan unterscheidet.Ê Dass dem Autor das »Herumschnüffeln« in der eigenen Vergangenheit nicht behagt hat, wundert nicht.
ÊMit eigenen Anmerkungen wollte er die Biographie über ihn versehen, doch Demonpion hat sich darauf nicht eingelassen. Mit der Folge, dass das Buch den Untertitel »Die unautorisierte Biographie« trägt.
Mit vielen Zeitzeugen hat sich Demonpion unterhalten. Menschen, die das Bild eines eigenbrötlerischen Einzelgängers entstehen lassen. Houellebecq, der von seinen Eltern im Alter von gerade einmal fünf Monaten zu seiner Großmutter gegeben wurde, entwickelte früh eine ausgeprägte Genussfeindschaft. Der Hass auf die 68-er entlud sich in dem epochalen Romanschocker »Elementarteilchen« - gleichzeitig eine böse Abrechnung mit der Mutter des heute 50-Jährigen. Dass dieser Roman ein großer Erfolg werden würde, hatte der Marktstratege Houellebecq früh erkannt.
Gleichzeitig machen die zahlreichen Gespräche mit ehemaligen Wegbegleitern Êdeutlich, dass die Ausfälle gegen Araber und Hippies keineswegs einen ausschließlich literarischen Hintergrund haben. Houellebecq ist nicht nur Zyniker, wie viele konvertierte Linke zu glauben meinten, sondern tatsächlich auch ein verbiesterter Anti-Aufklärer.
Ein Provokateur und Trauerkloß gleichermaßen: Als gestandener Mann fängt er an zu weinen, als er den Moody Blues-Titel »Nights in White Satin« hört. Zu schmerzhaft war die Erinnerung an die Parties der Jugendzeit, als alle eng tanzten und ein gewisser Michel Thomas allein und unglücklich daneben stand.
Denis Demonpion: Houellebecq - Die unautorisierte Biographie. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin. 299 Seiten.

Artikel vom 09.03.2007