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Die Krönung eines tollen Jahres

Aufsteiger Alemannia Aachen - der letzte Westverein im Pokal-Viertelfinale

Von Klaus Lükewille
Aachen (WB). Der Innenminister gehörte zu den ersten Gratulanten. Ingo Wolf feierte mit den Gewinnern in der Kabine. Der Mann war stolz auf diese Mannschaft: Alemannia Aachen ist schließlich der letzte Vertreter »seines« Bundeslandes im Pokal-Viertelfinale.

»Das war die Krönung eines tollen Jahres«, jubelte Alemannia- Präsident Horst Heinrichs. Zuerst der erstklassige Aufstieg im Mai, dann die beachtliche Liga-Vorrunde - und jetzt zum Abschluss der Cup-Knaller mit dem 4:2-Sieg gegen den FC Bayern München.
Da konnte auch der Verlierer nur noch gratulieren. Trainer Felix Magath musste zugeben: »Mein Glückwunsch an die Aachener, denn sie haben sich durch eine starke erste Halbzeit und später mit großem Einsatz diesen Sieg verdient.« Laurentiu Reghecampf (11./39.) und Marius Ebbers (44.) hatten schon zur Pause einen 3:0-Vorsprung heraus geschossen.
Und am Tivoli sangen sie den Bayern bereits das Abschiedslied: »Ihr könnt nach Hause fahren.« Sie kamen aber noch einmal für 45 Minuten zurück. Lukas Podolski (46.) und Mark van Bommel (68.) brachten den Favoriten auf 2:3 heran. Zitterzeit in Aachen. Bis Jan Schlaudraff (90.) mit einem sehenswerten Solo den Schlusspunkt zum 4:2 setzte. Ausgerechnet Schlaudraff, der ein lukratives Angebot der Bayern schon auf dem Tisch hat. Später grinste der Angreifer: »Ich habe meinen Trainer vorher gebeten, mich bitte erst in den letzten fünf Minuten einzusetzen.« Natürlich nur ein Spaß - und groß die Freude des umworbenen Torschützen beim Abpfiff: »Die meisten von uns waren nach einer Stunde platt. Aber wir haben es geschafft, den Vorsprung trotzdem über die Zeit zu bringen.«
Höhere Mächte halfen allerdings kaum mit, um diese Pokal-Sensation möglich zu machen. Obwohl auf einem Transparent stand: »Gott will es.« Nein, von ganz oben braucht diese Alemannia keine Unterstützung, da reicht der Rückhalt von den Rängen. Denn an diesem Abend wurde das Tollhaus Tivoli wieder einmal zu einer Stimmungs- und Beziehungskiste. Die Wechselwirkung zwischen begeistert anfeuernden Zuschauern und immer »heißer« werdenden Spielern ist im deutschen Oberhaus wohl nirgendwo so ausgeprägt wie in diesem Erlebnispark.
»Die tollen Fans haben uns wieder getragen, sie haben diesen Sieg verdient«, stellte Abwehrspieler Alexander Klitzpera fest. Den treuen Alemannia-Anhängern wurde in den letzten 180 Minuten besonders viel geboten: 3:3 nach 1:3 gegen den Hamburger SV. Und nun das 4:2 nach 3:0 und 3:2 gegen die Bayern, die vor 1050 Tagen an gleicher Stätte ihre letzte Pokal-Niederlage hatten hinnehmen müssen.
Schon vor dem Anpfiff brannten 10 000 Wunderkerzen. Es folgte ein »Feuerwerk« auf den Rängen und auf dem Rasen. Ein glühender Abschluss-Ball der Extra-Klasse, den Schiedsrichter Herbert Fandel um 22.23 Uhr mit dem letzten Pfiff des WM-Jahres 2006 beendete.
Am Tivoli war da schon Weihnachten. »Wir brauchen keinen Seeler, wir brauchen keinen Brülls, wir holen unsere Spieler vom TSV Marl Hüls.« Das haben sie hier schon vor 40 Jahren gesungen, diese »Scheibe« bleibt ein Hit. Denn der Text passt auch heute noch. Aachen hat keine teuren Stars, kann und will sich die gar nicht leisten.
Trainer Michael Frontzeck sieht seine Mannschaft so: »Wir haben eine charakterstarke und intakte Truppe. Nur darum war es möglich, dass wir uns gegen die Bayern behaupten konnten.« Und es folgte der Nachsatz: »Das ist eine Qualität, die man nicht kaufen kann.« Noch ein »Treffer« gegen den entthronten Cup-Verteidiger, der ja im Fall Schlaudraff jetzt auch schon in Aachen mit den dicken Scheinen wedelt.

Artikel vom 22.12.2006