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Typisches Motiv: Ein kleines Mädchen betrachtet unterm Weihnachtsbaum die Geschenke, darunter Puppe und Spielherd.

Festliche Grüße
aus der guten
alten Zeit

In Farben und Formen schwelgen

Von Michael Schläger (Text)
und Bernhard Pierel (Fotos)
Bielefeld (WB). Wer Weihnachtskarten aus der Zeit um 1900 betrachtet, findet dort eigentlich nie einen Weihnachtsmann mit rotem Mantel und weißem Bart. »Solche Darstellungen sind erst seit den 20er Jahren die Regel«, sagt Christa Salchow (58). Die Bielefelderin sammelt Ansichtskarten, die früher zum Christfest verschickt wurden.

Die Weihnachtskarte ist ursprünglich eine englische Erfindung und war dort seit Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet. »In Deutschland wurden zunächst eher Karten zum Jahreswechsel verschickt«, erläutert die Sammlerin. Auch österliche Grüße waren verbreiteter als solche zum Christfest.
Doch um 1900 treten die Weihnachtskarten auch hier ihren Siegeszug an und entfalten die für die Zeit so typische gestalterische Pracht. »Es gibt regionale Unterschiede«, erläutert Christa Salchow, die sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert für Gruß- und Glückwunschkarten begeistert und inzwischen auch über eine stattliche Zahl Weihnachtskarten verfügt. Im Norden und Osten des Kaiserreichs taucht vor allem der Weihnachtsmann auf den Motivkarten auf, im Süden und Westen ist es das Christkind, das die Präsente verteilt. Keineswegs ist es in Babygestalt zu sehen - vielmehr engelsgleich mit Flügeln und oft aufwendig gewandet.
Religiöse Motive, beispielsweise die Hirten, die vom Stern zur Krippe geleitet werden, sind eher selten. Dafür sind oft Kinder in Matrosenanzügen oder festlichen Kleidchen zu sehen, die mit Puppen, Trommeln oder einer Blecheisenbahn beschenkt werden. »Für mich sind auch die Botschaften interessant, die auf den Karten übermittelt werden«, sagt Christa Salchow.
»Meine Lieben«, schrieb im Jahr 1900 ein Hermann aus Plauen an die Verwandtschaft in Carlsfeld im Erzgebirge, »wünsche Euch frohe Festtage, komme Sonnabend abends« Das Besondere: Die Karte wurde am 23. Dezember, 12 Uhr, abgestempelt und Heiligabend vormittags ausgeliefert, was der Eingangsstempel belegt.
»Die Post war früher oft schneller als heutzutage«, hat Christa Salchow anhand der damals noch obligatorischen Aus- und Eingangsstempel festgestellt. Weil es Telefone noch nicht gab oder diese noch kaum verbreitet waren, dienten die Karten als überaus verlässliche Mitteilungsmöglichkeit.
Und sie waren von Anfang an Sammelobjekte. »Kinder und auch viele Frauen waren begeisterte Kartensammler«, erzählt Christa Salchow. Davon zeugen auch die prachtvollen Alben aus jener Zeit, in denen die Karten präsentiert wurden und von denen auch die 58-Jährige einige ihr eigen nennt.
Bei aller Pracht galt manches Kartenmotiv auch schon zu Kaisers Zeiten als ein wenig kitschig. Doch es gab bereits damals das, was man heute vielleicht als »Designer-Karte« bezeichnen würde: klassisch gestaltete Ansichten mit geradliniger Jugendstil-Ornamentik. Auch die befinden sich in Christa Salchows Sammlung.

Artikel vom 23.12.2006