20.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Mitte ist weit mehr als eine Nische«

Ute Berg aus Paderborn schreibt mit am neuen SPD-Grundsatzprogramm

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). »Der vorsorgende Sozialstaat« steht im Blick der Programmdebatte bei der SPD. Sie verläuft derzeit ähnlich intensiv wie in der CDU, aber nicht so öffentlich.

Das Godesberger Programm von 1959 ist schon lange Geschichte, aber auch das aktuelle Berliner Grundsatzprogramm von 1989 hat ausgedient. Vieles ist nicht mehr, wie es einmal war.
Radikalen Sozialismus suchten Kritiker früher schon vergebens. In Zeiten der großen Koalition geht es mehr um das Besetzen der »linken Mitte«. In den Leitsätzen zum Beschluss im Herbst 2007 wird klar, wo sich die SPD sieht: Zwischen »marktradikalen Freiheitsversprechen, die den Egoismus zum Prinzip erheben«, und den »Linkspopulisten, die den Wunsch nach Freiheit missachten und den Ausstieg aus der Wirklichkeit des Wandels vorgaukeln.«
Keine Nische, sondern eine breite Mitte wird nach Auffassung der Bundestagsabgeordneten Ute Berg solcherart abgesteckt. »Das Fundament unseres Wohlstandes ist die soziale Marktwirtschaft«, sagt die Paderbornerin, die als »Netzwerkerin« und Vorstandsmitglied in der Programmkommission auf höchster Ebene mitwirkt.
Das von Ludwig Erhard eingeführte, und von der CDU nach Kräften allein beanspruchte Prinzip der sozialen Marktwirtschaft bedeutet nach SPD-Lesart »Wettbewerb der Wirtschaftsunternehmen und einen staatlich organisierten Dreiklang aus sozialem Ausgleich, kollektiven Versicherungssystemen und Investitionen in Bildung, Forschung und eine hervorragende Infrastruktur.«
Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik schaue dabei gleichermaßen auf Export- und Binnenwirtschaft, sagt Frau Berg. Sie verfolgt eine Strategie, »bei der sowohl Angebots- als auch Nachfragebedingungen auf Wachstum ausgerichtet werden«.
Leistung müsse sich auch für die Beschäftigten lohnen, heißt es weiter. Deshalb setzten sich Sozialdemokraten für Existenz sichernde Löhne ein. »Wir unterstützen zudem Modelle der Gewinnbeteiligung, sowohl unter dem Aspekt der Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung, als auch der Identifizierung mit dem Unternehmen, der Übernahme von Verantwortung sowie der Motivation.«
Globalisierung wird in den Leitsätzen nicht als Schicksalsschlag begriffen. Auch wenn viele den globalen Wettbewerb als Bedrohung wahrnähmen, der Arbeitsplatz und Wohlstand gefährde, bleibt die Überzeugung, dass sich die Entwicklung von Deutschland aus mitgestalten lässt. »Wir verändern die Welt als SPD nicht«, weiß Frau Berg, »aber wir glauben auch nicht, dass alles hingenommen werden muss.« Bildung helfe heraus aus der Misere mit einem Wettbewerb der Köpfe zwischen Europa und Fernost.
Allerdings werde es immer auch Menschen geben, die nur einen geringen Qualifikationsgrad erreichten und auf solidarische wirtschaftliche Unterstützung der Gesellschaft angewiesen seien. Hier fühlt sich die SPD besonders angesprochen. Sie will den Ausgleich, verspricht aber nicht das Blaue vom Himmel, - und das obwohl Parteiprogramme frei von tagespolitischen Notwendigkeiten sind. »Über Art, Höhe und Finanzierung muss ein belastbarer Konsens herbeigeführt werden.«

Artikel vom 20.12.2006