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Kleinste Selbständigkeit
macht ein Stückchen freier

Drei Milliarden leben von weniger als zwei US-Dollar am Tag

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Kleinkredite, Kleingewerbe, Kleinexistenzen: Hilfe zur Selbsthilfe ist der Schlüssel für viele der drei Milliarden Menschen in aller Welt, die von weniger als zwei US-Dollar am Tag leben müssen.

»Um sich aus Armut zu befreien und ihre Familien dauerhaft gegen Schicksalsschläge abzusichern, brauchen die Menschen in unseren Partnerländern Geld für unternehmerische Zwecke«, sagt Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt ausdrücklich auch den Einsatz von World Vision Deutschland für Ausbildung und berufliche Schulung. Jeder Schritt in die Selbständigkeit ist auch ein Stück mehr Unabhängigkeit. Von Malawi, Kenia, Ghana und Swasiland über vier Partner in Lateinamerika, zwei in Osteuropa und drei in Asien erstreckt sich das Engagement dieses christlichen Hilfswerkes, das Partner der WESTFALEN-BLATT-Weihnachtsaktion 2006 ist.
Mikrofinanzierung stellt dabei einen besonderen, aber nicht alleinigen Schwerpunkt dar. Aus Berufsausbildung, Finanzschulung und Gesundheitsaufklärung entsteht ein System, das die zur Teilnahme bereiten Menschen absichert und ihnen neuen Schutz gibt. Wieczorek-Zeul: »Sowohl beim Knüpfen eines finanziellen Sicherheitsnetzes für den Fall einer HIV/Aids-Erkrankung, im Rahmen der ländlichen Entwicklung, dem Engagement in Post-Konflikt-Gebieten oder beim Wohnungsbau in den Elendsquartieren der Welt bieten Mikrofinanzinstitutionen bedarfs- und situationsgerechte Lösungen an.«
Kein Hehl macht die Ministerin aus der weltweit bestätigten Erfahrung, dass Kleinexistenzen vor allem Frauen zugute kommen. »Sie zahlen Schulden pünktlicher und zuverlässiger zurück als Männer und investieren das Geld erfolgreicher zum Wohl der Familie.« Dennoch steht meist die gesamte Familie, oft die Restfamilie, im Blickpunkt der Förderung.
In Malawi, Zielland der Aktion dieser Zeitung, sind bereits 11 000 Frauen, Männer, Großmütter oder auch Kleinstgenossenschaften in den Genuss von Krediten zwischen 10 und 90 Dollar gekommen. Im bitterarmen Swasiland (südlich von Mosambik) geht es um Menschen, die in den Dürrejahren und wirtschaftlichen Krisen des Landes so ziemlich alles verloren haben.
In Guatemala sind die kleinen Dorfbanken Partner von World Vision. Denn sofern Strukturen eines regionalen Geldwesens vorhanden sind, dürfen sie nicht zerstört, sondern müssen gestärkt werden. Allein Geldverleihern mit Wucherzinsen soll der schnelle Profit genommen werden - zum Vorteil der Dorfgemeinschaft. Auch im Urlaubsparadies Dominikanische Republik leiden die einfachen Menschen wirtschaftliche Not. 2500 Kleinkreditnehmer werden hier genauso geschult und weiter betreut wie 8000 Indiofrauen in Bolivien oder 7500 Klienten in Nicaragua.
Den mit Abstand größten »Kundenstamm« hat World Vision in Bangladesch. Dort sind die seit 2001 vergebenen »Micro up-loans« an 25 000 Empfänger ein absoluter Renner. Die Angebote sprechen sich bei Menschen mit einer Geschäftsidee schnell herum, die Anfragen übertreffen bei weitem die Möglichkeiten der Hilfsorganisationen, von denen World Vision eine unter mehreren ist.
Wasubilagha Mwalwanda (34) ist eine alleinerziehende Mutter von acht Kindern in Malawi. Sie bestritt den Lebensunterhalt ihrer Familie schon einmal mit dem Verkauf gesäuerter Milch. Aus Mangel an Kapital konnte sie eines Tages keine Rohmilch mehr einkaufen. 50 Euro aus dem FITSE-Programm halfen ihr, das brachliegende Geschäft wieder aufzunehmen - allerdings nicht ohne das übliche Schulungsprogramm durchlaufen zu haben. Auch trifft sich ihre Kreditgruppe jede Woche einmal, um sich auszutauschen.
Wasibilagha fehlt fast nie, denn die Kredite haben sie zu einer angesehenen und unabhängigen Geschäftsfrau gemacht - und das will sie auch bleiben.

Artikel vom 20.12.2006