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Schwarzarbeit
bei Westfleisch

Helferin erhält Bewährungsstrafe

Von Gerhard Hülsegge
Bielefeld (WB). Zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und Zahlung von 10 000 Euro Geldbuße an eine soziale Einrichtung hat das Amtsgericht Bielefeld gestern Tina F. (38) verurteilt. Sie soll in großem Stil Schlachthöfe der Firma »Westfleisch« mit illegalen Arbeitskräften versorgt haben.

Urkundenfälschung in fünf, gewerbsmäßiger Betrug in 36, Steuerhinterziehung in 58 Fällen und ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz war der gebürtigen Portugiesin vorgeworfen worden. Die Beschuldigte zeigte sich geständig, als Geschäftsführerin von 21 Subunternehmen (750 Mitarbeiter) wie »Meet-Service« von Lübbecke aus an Westfleisch-Filialen in Paderborn, Lübbecke, Hamm, Münster und Coesfeld Arbeitskräfte für die Zerlegung von Rindern und Schweinen vermittelt zu haben, ohne für sie Sozialabgaben abgeführt zu haben. Der Schaden bei den Sozialversicherungsträgern beträgt zwei Millionen Euro.
»Es muss sich lohnen, wenn einer die Hosen runter lässt«, meinte Rechtsanwalt Michael Rietz. Der Verteidiger aus Münster hatte seiner Mandantin dazu geraten, alle Taten zu gestehen. Unter Tränen schilderte die gelernte Hotelkauffrau dem Gericht gestern, wie »normal« Schwarzarbeit in der Fleischindustrie sei, wie alle möglichst viel Geld verdienen wollten und wie auch die Betroffenen mit einem Stundenlohn von 25 bis 35 Euro kein schlechtes Gewissen hätten.
»Ich habe mich mit der Zeit angepasst«, sagte Tina F. Im Mai 2005 kamen Sonderermittler ihr und ihrem Geschäftspartner Erol D. auf die Spur. Seine Mandantin habe sich nicht persönlich bereichert, betonte Rechtsanwalt Rietz. Trotzdem saß sie drei Monate in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen gegen Westfleisch-Manager wurden gegen die Zahlung von zwei Millionen Euro eingestellt. Für Rechtsanwalt Rietz ist das aber noch nicht das Ende, sondern nur »die Spitze eines Eisberges«.
Das Urteil gegen Tina F. war selbst für den Vorsitzenden Richter Hermann Schulze-Niehoff eine »schwierige Entscheidung«. »Sie wollten beweisen, was sie können. Und wenn etwas illegal war, haben Sie es billigend in Kauf genommen«, bescheinigte er der ledigen Blondine aus Lissabon, die seit 33 Jahren in Deutschland lebt, streng erzogen wurde, sich liebevoll um ihre kranken Eltern kümmert und auch wieder eine (legale) Arbeitsstelle mit einem Monatsverdienst von 1000 Euro hat. Sie sei von den eigentlichen Drahtziehern ausgenutzt worden, bescheinigte ihr der Richter eine durchweg günstige Sozialprognose: »Ich glaube nicht, dass Sie wieder auf die schiefe Bahn geraten.«
Er hätte das Verfahren auch lieber vor der Wirtschafts-Strafkammer verhandelt. Weil die Staatsanwaltschaft eine Berufung nicht ausschließt, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Artikel vom 20.12.2006