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Betriebsprüfer werden
bald zur Mangelware

Steuergewerkschaft beklagt die Arbeitsbedingungen

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). »Die Situation ist hochexplosiv«, sagt Heinz Katerkamp. Das Vorstandsmitglied der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) hat die Politik aufgefordert, für angemessene Arbeitsbedingungen zu sorgen und den drohenden Kollaps im System zu verhindern. Katerkamp: »Die Landesregierung motiviert ihre Mitarbeiter mit Fußtritten.«

Ausschlaggebend für eine gute Mitarbeitermotivation, die Voraussetzung für das entsprechende Arbeitsergebnis, wertet Katerkamp eine entsprechende Entlohnung, Arbeitsplatzbedingungen und ein Personalbestand, der es ermögliche, die gestellten Aufgaben auch in der nötigen Zeit erledigen zu können. In der Finanzverwaltung, klagt Katerkamp, geschehe seit langer Zeit genau das Gegenteil. Katerkamp sprach im Rahmen der Jahreshauptversammlung des Ortsvereins Betriebsprüfung innerhalb der Bielefelder Finanzbehörde.
In Bielefeld tätig sind derzeit 120 Mitarbeiter im Bereich der Betriebsprüfung, zehn weniger als vorgesehen. Allerdings: Fachkräfte für die Betriebsprüfung sind Mangelware. Und gegenwärtig wird der Mangel allenfalls verwaltet. Vorsitzender Peter Nauermann: »Es fehlt an qualifizierten Bewerbern für den Dienst als Betriebsprüfer. Wer heute zu uns kommen soll, hätte vor zehn Jahren eingestellt werden müssen.« Etwa zehn Jahre für Ausbildung und Tätigkeit in anderen Sparten der Behörde sind laut Nauermann nötig, um die speziellen Anforderungen bei der Prüfung von Einzelfirmen, Mittelständlern und Großbetrieben erfüllen zu können.
Laut Bundesrechnungshof sind nur 15 Prozent der Einkommensmillionäre durch Außenprüfungen kontrolliert worden. Die Prüfungsquote reicht je nach Bundesland von zehn bis 60 Prozent, die Steuermehreinnahmen ergaben pro Fall im Schnitt 135 000 Euro. Zudem beklagt der Rechnungshof, dass die Steuerverwaltung das komplizierte Steuerrecht nicht mehr vollständig vollziehen kann. Gesetzesneuerungen wie das Erziehungsgeld bereiten den Sachbearbeitern eine Flut von Mehrarbeit. Die nächste Lawine rollt, so Katerkamp, mit den Einsprüchen vieler Steuerbürger gegen den Wegfall der Kilometerpauschale.
Im Bereich der Betriebsprüfung beklagen die Behörden eine keineswegs zufrieden stellende Prüfungsdichte. Während Großbetriebe noch alle 3,5 bis 5,4 Jahre kontrolliert werden, haben Mittelständler alle zehn Jahre den Prüfer im Haus. Katerkamp: »Mancher Kleinbetrieb wird nach 20 Jahren wieder geschlossen und wurde nicht einmal kontrolliert. Das kann so nicht sein.« Eine große Gefahr sehen die Gewerkschafter auch im fehlenden Anreiz, junge Leute für die Betriebsprüfung zu gewinnen. Nauermann: »Wenn es weniger Verdienst, mehr Arbeitszeit und schlechtere Bedingungen gibt, wo ist dann das überzeugende Argument?« Nach Berechnung der DStG haben die Mitarbeiter der Finanzverwaltung durch Mehrarbeit und geringeren Verdienst oder sogar Wegfall von Prämien und Zuwendungen seit 1994 genau 6,2 Milliarden Euro zur Sanierung des NRW-Haushaltes beigetragen.
Weil aber gleichzeitig die Politik in NRW ihre Diäten um 1,4 Prozent erhöht hat, schwillt laut Katerkamp »unseren Mitgliedern einfach der Hut. Die sind stinksauer, wie in der Politik nach Gutsherrenart verteilt wird«. Wenn zudem noch von Jahresmitte 2007 an das neue Personalratsgesetz greife, bedauert DStG-Sprecher Gerd Gemkow, gehe eine 20-jährige Kultur der Arbeitsrecht ein den Finanzämtern »den Bach runter«.

Artikel vom 20.12.2006