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Gedüngt nur mit eigenem Mist

Biologisch-dynamische Landwirtschaft auf Schloss Hamborn bei Borchen

Von Bernhard Hertlein
Borchen (WB). Besucher von Schloss Hamborn bei Borchen im Landkreis Paderborn spüren es sehr schnell: Auf diesem Bauernhof ist manches anders. Schweine suhlen sich in einem Stall neben den Kühen. Und auf den Feldern wächst ein Getreide, dessen Name den meisten fremd ist: Emmer.

»Die Landwirtschaft funktioniert wie ein lebendiger Organismus«, sagt Helmut Reiske. Er leitet das Hofgut mit 55 Milchkühen und 20 Mastschweinen sowie 206 Hektar Futter- und Getreideanbau. Ein Kollege, Leonard Jentgens, ist für die Forstwirtschaft im 150 Hektar großen Wald verantwortlich. Einschließlich Lehrlinge und Praktikanten beschäftigt der Hof insgesamt 15 Mitarbeiter.
Aus dem Verständnis von Landwirtschaft als individuellem Organismus folgt bei den Anthroposophen, dass möglichst wenig Betriebsmittel von außen beschafft werden. Saatgut wird selbst produziert. Um den kargen Boden gesund zu halten, hält Reiske eine zehnjährige Fruchtfolge ein. Hecken und Ackerrandstreifen verhindern die Erosion. Gedüngt wird mit dem Mist aus dem eigenen Rinderstall. Die Tiere behalten ihre natürlichen Hörner. Chemische Spritzmittel sind tabu; stattdessenkommen biologisch-dynamische Präparate zum Einsatz, die größtenteils aus Produkten hergestellt werden, die der Hof liefert.
Teil des natürlichen Kreislaufs ist der Kosmos. Gesät wird etwa eine Woche vor Vollmond. Bestimmte Planeten-Konstellationen beeinflussen das Wachstum von Gemüse. Für viele klingt das heute esoterisch; aber nach Angaben Reiskes handelt es sich hier um ein Wissen, nach dem in früheren Zeiten auch viele ganz normale Bauern vorgegangen sind. »Wenn der Vollmond Ebbe und Flut bewirkt, den weiblichen Menstruationszyklus bestimmt und vielen Menschen den Schlaf rauben kann, warum soll er dann nicht auch die Vegetation beeinflussen?«
Mitunter entdecken die Mitarbeiter auf Schloss Hamborn Vorteile ihrer Anbauweise, von denen sie selbst nichts ahnten. So schützt etwa die Abkapselung des Tierbestandes vor dem BSE-Erreger. Die Pflanzen passen sich über Generationen den äußeren Bedingungen immer besser an. Die lange Fruchtfolge behindert die Ausbreitung von Unkräutern. Und die Milch von Rindern, die ihre Hörner behalten dürfen, kann nach neuesten Untersuchungen auch von Allergikern getrunken werden, die sonst darauf verzichten müssen. In der konventionellen Landwirtschaft dürfen Rinder keine Hörner tragen, weil sie sich in den engen Ställen sonst gegenseitig verletzen.
Vorgänger Reiskes begannen schon 1952 bei Schloss Hamborn mit der Landwirtschaft nach der »biologisch-dynamischen« Anbauweise Rudolf Steiners. Das Hofgut hatte jahrzehntelang die Aufgabe, die Einrichtungen des Schlosses -ÊKindergarten, Sonderschule, Landschulheim, Waldorf-Gymnasium, Altenwerk, Berufsförderungswerk, Rehabilitationszentrum, Arztpraxen, mehrere Handwerksbetriebe -Êmit gesunden Lebensmitteln zu versorgen.
Schon dies war wegen des steinigen Untergrunds und der vielen Hanglagen kein leichtes Unterfangen. Trotzdem wurden 1990 zusätzlich eine neue Bäckerei und 1994 eine Käserei eröffnet. Eine Spezialität der Backstube ist das Honig-Salz-Brot. Beim Schlossberg- und anderen Hartkäse-Sorten wird die Rinde nur mit Salzwasser gepflegt. Künstliche Zusätze und Fertigprodukte sind tabu.
Weitere sechs Jahre später begann der Verkauf auf dem Wochenmarkt in der Paderborner Innenstadt. Die Lebensmittel, die außerdem noch in Naturkostläden auf und außerhalb des Schlossgeländes angeboten werden, tragen das »Demeter«-Markenzeichen für biologisch-dynamischen Anbau. Die weder homogenisierte noch pasteurisierte Frischmilch geht außer in den Verkauf und in die eigene Käserei auch zur Bioland-Molkerei Söbbeke in Gronau.

Artikel vom 19.12.2006