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Kartellamt rüffelt RWE

Abmahnung wegen zu hoher Strompreise für Industrie

Bonn (dpa). Das Bundeskartellamt hat den Energiekonzern RWE wegen zu hoher Strompreise für Industriekunden abgemahnt. Der Branchenprimus E.ON werde voraussichtlich bald eine ähnliche Abmahnung erhalten, teilte die Behörde gestern in Bonn mit.


Dabei monierten die Wettbewerbshüter die Einbeziehung von kostenlos erteilten Emissionszertifikaten für Kohlendioxid in die Preisberechnung. Eine vorläufige kartellrechtliche Überprüfung habe ergeben, dass die durchgesetzten Strompreise des vergangenen Jahres in erheblichem Maße missbräuchlich seien, teilte Kartellamtschef Ulf Böge gestern mit. Er glaubt, dass die Industriekunden auf dem Gerichtsweg versuchen werden, für 2005 Schadenersatz zu erwirken. RWE kann bis zum 22. Februar 2007 zu der vorläufigen Einschätzung Stellung beziehen.
Das Kartellamt hatte auf Grund von Beschwerden der stromintensiven Industrie Ende 2005 Verfahren gegen RWE und die E.ON Energie AG eingeleitet. Das parallel laufende Verfahren gegen E.ON werde sich - unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse - unmittelbar anschließen, hieß es.
RWE ist dem Kartellamt zufolge - bezogen auf die bundesweiten Strommärkte - gemeinsam mit E.ON marktbeherrschend. Zwischen den Unternehmen finde kein »wesentlicher« Wettbewerb statt, beide hätten im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern »eine überragende Marktstellung«. Die beiden Konzerne erzeugten gemeinsam etwa 60 Prozent der Nettostrommenge. Wegen dieser Position habe RWE den Preis der kostenlos zugeteilten Emissionszertifikate auf die Kunden umwälzen können. Das Kartellamt billigte RWE für 2005 zu, die Einbeziehung von 25 Prozent des Zertifikatspreises nicht zu beanstanden.
In einer ersten Stellungnahme warf RWE der Wettbewerbsbehörde vor, sie habe bei ihrer Entscheidung die Grundlagen der Preisbildung auf dem Strommarkt ignoriert. Es sei nicht nachvollziehbar, dass in Europa einheitliche Marktmechanismen einen Verstoß gegen deutsches Kartellrecht bedeuten sollen, teilte RWE mit.
Der Verband der industriellen Kraftwirtschaft (VIK) als einer der Beschwerdeführer sieht in der Entscheidung die Bestätigung dafür, dass die Stromunternehmen ungerechtfertigte Milliardengewinne zu Lasten der industriellen Stromkunden gemacht haben. Die abschließende Entscheidung des Kartellamtes im kommenden Jahr werde zu einem kurzfristigen Ausgleich der bisherigen Verluste bei den industriellen und gewerblichen Stromkunden führen, hieß es. Der Chef der Norddeutschen Affinerie, Werner Marnette, forderte betroffene Unternehmen auf, den Rechtsweg zu prüfen: »Wir überlegen das sehr genau.«

Artikel vom 21.12.2006