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Landgericht verurteilt die »Eisdielen-Bande«

Schleuser holten zahlreiche Frauen aus Rumänien und beschäftigten sie in der heimischen Gastronomie

Von Sabrina Beck
Paderborn (WB). Das Paderborner Landgericht hat gestern vier Angeklagte verurteilt, die in großem Stil illegal eingeschleuste Frauen in Eisdielen beschäftigt hatten.
Giovanni T. war der Haupttäter.

Die Anklageschrift, die Oberstaatsanwalt Burkhard Dannewald verlas, war lang: 23 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz und die Beschaffung eines gefälschten italienischen Ausweises warf sie den Beschuldigten vor. Für den 47-jährigen Hauptangeklagten Giovanni T. aus Basweiler endete der Prozess mit einer Freiheitstrafe von dreieinhalb Jahren.
Die anfängliche Annahme der Staatsanwaltschaft, es handele sich bei dem italienisch-rumänischen Quartett um eine »mafiös strukturierte Vereinigung«, erhärtete sich aber nicht. »Wir haben es hier mit einer überschaubaren Anzahl von Einzelfällen zu tun«, stellte Dannewald fest und erkannte durchaus an, dass die aus deutscher Sicht zu Hungerlöhnen als Eisverkäuferinnen und Hausmädchen beschäftigten Frauen »ein attraktives Geschäft« in der Kooperation mit den Schleusern gesehen haben mochten. »In ihrer Heimat Rumänien beträgt ein monatliches Durchschnittsgehalt etwa 120 Euro, hier bekamen sie das Dreifache«, machte der Staatsanwalt deutlich.
Den Kontakt zu den Frauen stellte die in Rumänien lebende Mutter einer 27-jährigen Angeklagten her. Für ein »Kopfgeld« von 100 bis 150 Euro spielte der 41-jährige Landsmann der Rumänin den Chauffeur. Wirtschaftlich rentabel kann man die Ausbeute der beiden nicht nennen. Ein paar Hundert Euro haben sie zwischen November 2005 und August 2006 verdient. Am 6. August beendete eine bundesweite Razzia ihre Schleuseraktivitäten. Die kommenden zwei Jahre und neun Monate werden die Angeklagten, die ebenso wie der Haupttäter seit ihrer Festnahme im August in U-Haft sitzen, im Gefängnis verbringen. Den vierten Angeklagten, einen Italiener (47), sprach die Kammer des gewerbsmäßigen Schleusens in vier Fällen schuldig. Richter Stefan Schäfer bezeichnete den Eisdielenbetreiber als »Anhängsel« der Schleuserbande und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. An der bandenmäßigen Organisation der Schleuser, die auch in Minden, Salzkotten und Rheda-Wiedenbrück agiert hatten, bestand für Schäfer kein Zweifel.
Eigentlich wollten Giovanni T. und seine Komplizen mit den billigen Arbeitskräften das große Geld verdienen. Jetzt haben sie allerdings 350 000 Euro Schulden - soviel hat nämlich allein das Strafverfahren gekostet. Das Vermögen der Angeklagten wurde beschlagnahmt.

Artikel vom 19.12.2006