19.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Dortmund feuert Bert van Marwijk

Nach Hitzfelds Absage rückt Thomas von Heesen auf Borussias Trainerliste wieder nach oben

Dortmund (WB/dpa). Borussia Dortmund hat nach dem letzten Hinrundenspieltag der Fußball-Bundesliga die Notbremse gezogen. Trainer Bert van Marwijk muss gehen. Nach der Absage von Ottmar Hitzfeld rückt der Bielefelder Thomas von Heesen auf der Liste der Kandidaten wieder nach oben.

Als Reaktion auf die von Zuschauerprotesten begleitete 1:2- Heimschlappe gegen Bayer Leverkusen gab der Club gestern die sofortige Trennung von seinem Cheftrainer van Marwijk bekannt. Damit brachte sich Borussia aber auch in die Bedrouille. Denn die Absage von Wunschtrainer Hitzfeld durchkreuzte die Pläne von der ebenso schnellen wie idealen Ersatzlösung.
Hans-Joachim Watzke demonstrierte trotzdem Gelassenheit. »Ich bin sehr zuversichtlich, zeitnah und wenn möglich noch in dieser Woche einen Nachfolger für van Marwijk zu präsentieren«, sagte der BVB-Geschäftsführer. »Wir stehen unter Druck, verfallen aber nicht in Hektik.« Zugleich verteidigte er das Bemühen um Hitzfeld: »Es wäre fahrlässig gewesen, die Möglichkeit Hitzfeld mit seiner Erfahrung und Kompetenz nicht auszuloten.« Wie Watzke mitteilte, hätte der ehemalige Bayern-Coach aber nur als Übergangslösung bis Saisonende zur Verfügung gestanden.
Das Scheitern des spektakulären Plans sorgte für lange Gesichter. Nach reiflicher Überlegung gab der umworbene Hitzfeld dem BVB einen Korb. »Das Angebot hat mich geehrt. Ich habe auch ernsthaft darüber nachgedacht, aber letztendlich hat es nicht gepasst«, sagte der Erfolgscoach der »Bild«. Auch die finanziell äußerst lukrative Offerte seines ehemaligen Arbeitgebers konnte den derzeitigen TV-Experten zweieinhalb Jahre nach seiner Trennung von Bayern München nicht zu einer Rückkehr auf die Trainerbank bewegen.
Nach dem publik gewordenen Flirt der Borussia mit Hitzfeld war eine weitere Zusammenarbeit mit van Marwijk dann nicht mehr denkbar. Der Baum brannte auch schon zu sehr, zu schlecht spielte seine Mannschaft. »Das Spiel gegen Leverkusen hat gezeigt, dass es schwierig würde, so weiter zu machen«, begründete Watzke die Entscheidung des Vereins, die 2004 begonnene Zusammenarbeit mit dem Fußball-Lehrer schnell zu beenden. Weil der Vertrag mit dem Niederländer van Marwijk noch im Sommer bis 30. Juni 2008 verlängert worden war, muss der BVB eine Abfindung von 600 000 Euro bezahlen. Zuletzt hatten sich der Verein und der Fußball-Lehrer noch darauf verständigt, nur noch diese Saison gemeinsam zu Ende zu bringen. Die Trennung im Sommer 2007 war vor der Derby-Niederlage beim FC Schalke 04 beschlossen worden.
Es wird erwartet, dass Borussia nun einen erneuten Vorstoß in Bielefeld und bei Thomas von Heesen unternimmt, um den Arminen loszueisen. Wer immer auch neuer Dortmunder Trainer wird, er steht vor einer schwierigen Aufgabe. Mit Hohn und Spott reagierten viele Zuschauer auf die abermals dürftige Vorstellung gegen Leverkusen. Begleitet von ironischen Gesängen der Fans (»Oh, wie ist das schön«, »Deutscher Meister wird nur der BVB«) drängte das Team vergeblich auf den Ausgleich. »Normalerweise mag ich Galgenhumor. Aber es gibt nichts Schlimmeres für einen Sportler, als auf diese Art und Weise angefeuert zu werden«, klagte der eingewechselte Nationalspieler Christoph Metzelder.
Beinahe wäre es gar zu einem Eklat gekommen, als 100 aufgebrachte Fans noch während der Partie die Osttribüne stürmten, um direkt hinter der Trainerbank lautstark die Entlassung van Marwijks zu fordern. »Zum ersten Mal in meiner Karriere gab es Gesänge gegen mich. Das waren 40, 50 Leute - die ergeben kein realistisches Bild«, sagte der Coach. Keine 24 Stunden später musste er seine Sachen packen. Wie er mit der Situation umgehen würde, hatte van Marwijk schon vor ein paar Wochen erklärt: »Ich gebe immer mein Bestes. Und wenn das nicht reicht. dann gehe ich eben nach Hause.«

Artikel vom 19.12.2006