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Präsident Bush erwartet im Irak
keinen Sieg der USA mehr

Strategiewechsel eingeleitet: Gesamtstärke der Armee wird aufgestockt

Washington/Bagdad (Reuters). Zwei Wochen nach den Empfehlungen der Baker-Kommission hat US-Präsident George W. Bush einen Strategiewechsel im Irak eingeleitet. Um die US-Truppen dort zu entlasten, will er die Gesamtstärke der US-Armee aufstocken.
Als erste Amtshandlung reiste der neue Verteidigungsminister Robert Gates gestern zwei Tage nach seiner Vereidigung nach Bagdad, um sich persönlich einen Eindruck von der angespannten Sicherheitslage zu verschaffen.
Bush räumte erstmals ein, dass die USA im Irak keinen Sieg mehr erwarten. »Wir gewinnen nicht, wir verlieren nicht«, sagte er in einem Interview der »Washington Post«. Damit hat der republikanische Präsident unter massivem innenpolitischen Druck eines seiner zentralen Ziele revidiert. Wegen des verlustreichen Irak-Kriegs hat seine Partei die Kongresswahlen Anfang November verloren. Einen Sieg im Irak hatte Bush noch im Wahlkampf als Voraussetzung für einen Erfolg des US-Krieges gegen den internationalen Terrorismus bezeichnet, den er nach den Anschlägen am 11. September 2001 ausgerufen hat.
Bush prüft den Worten seines Sprechers Tony Snow zufolge, auch die Truppenstärke im Irak nochmals zu erhöhen. Dies sei eine Option, sagte Snow. Regierungskreisen zufolge wird über die Entsendung von 15 000 bis 30 000 zusätzlichen Soldaten für sechs bis acht Monate diskutiert. Der Schritt ist umstritten. Die unabhängige Experten-Kommission unter Leitung von Ex-Außenminister James Baker hat darauf gedrängt, die Soldaten mehr und mehr aus den Kämpfen zurückzuziehen und stattdessen die Ausbildung irakischer Kräfte zu verstärken.
Die Gewalt hat in den vergangenen Monaten einen neuen Höhepunkt erreicht. Seit dem Einmarsch vor bald vier Jahren wurden fast 3000 US-Soldaten und 50 000 Zivilisten getötet.
Die USA haben derzeit 134 000 Soldaten im Irak stationiert. Die Kosten dafür belaufen sich jüngsten Berechnungen zufolge auf mehr als zwei Milliarden Dollar pro Woche. Damit werden sie Angaben des Haushaltsdirektors des US-Präsidialamtes zufolge die für den Krieg veranschlagten 110 Milliarden Dollar in diesem Jahr übersteigen.
Bush stellte die geplante Aufstockung von Heer und Marineinfanterie in den Zusammenhang mit dem auf lange Sicht angelegten Kampf gegen den Terrorismus. Er habe darüber bereits mit seinem neuen Verteidigungsminister gesprochen »und er wird mir Empfehlungen dazu machen«, sagte er.
Einzelheiten seines Kurswechsels hat Bush für Januar angekündigt. Mit der Aufstockung der Armee kommt Bush Forderungen des US-Generalstabs nach, der zuletzt angesichts der vielfältigen Beanspruchungen vor einem Zusammenbruch der Armee gewarnt hatte. Die Armee hat bereits die Erlaubnis, vorübergehend bis zu 512 000 Reservisten und damit 30 000 mehr als normal in den aktiven Dienst zu berufen. Ungefähr die Hälfte davon ist im Ausland eingesetzt, der zweitgrößte Truppenanteil steht in Afghanistan mit 17 000 Soldaten.
Gates sagte zum Auftakt seines Besuches im Irak, er wolle den US-Kommandeuren zuhören, »mit den Irakern reden und sehen, was ich erfahren kann«. Gates hatte am Montag vor einem Versagen der USA im Nahen Osten gewarnt. Dies könne sich die Großmacht nicht leisten.
Die Bevölkerung in Nadschaf feierte derweil gestern die Entlassung ihrer Provinz aus der Kontrolle durch die US-Armee und ihre Übergabe an einheimische Sicherheitskräfte.
Das Terrornetz El Kaida hat den Irak angeblich unter seine Kontrolle gebracht. Eiman al-Sawahiri, der als Stellvertreter von El-Kaida-Chef Osama Bin Laden gilt, erklärte gestern in einer Videobotschaft: »El Kaida ist es, die den Irak kontrolliert.« Seite 4: Kommentar

Artikel vom 21.12.2006