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Stoiber: über Eckpunkte reden

CSU-Chef fordert Nachverhandlungen zur Gesundheitsreform

München (dpa). CSU-Vorsitzender Edmund Stoiber hat Nachverhandlungen zur Gesundheitsreform gefordert. »Wir erwarten, dass wir über den einen oder anderen Eckpunkt noch einmal diskutieren müssen, wenn es zu unzumutbaren Problemen führt«, sagte Stoiber gestern vor einer CSU-Vorstandssitzung in München.
Bayern werde die Gesundheitsreform ablehnen, wenn die Kostenfrage für die Länder nicht geklärt sei. Den Gesundheitskompromiss als Ganzes stelle er aber nicht in Frage. »Die CSU erwartet, dass die vereinbarten Eckpunkte auch umgesetzt werden«, sagte Stoiber nach der Sitzung.
Bayern und mehrere andere unionsregierte Länder fürchten Mehrbelastungen in Milliardenhöhe. »Das darf nicht zu einem zweiten Finanzausgleich führen«, sagte Stoiber. Er warf Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vor, die Eckpunkte der Bundesregierung zur Gesundheitsreform bislang nicht umgesetzt zu haben. Ein gemeinsames Finanzgutachten gebe es noch nicht. Schmidt habe bislang keine Zahlen hierzu vorgelegt. »Solange keine validen Zahlen vorliegen für mein Land, bin ich in der Verantwortung, nicht praktisch einen Blindflug zu machen.«
Als Beispiel für einen diskussionsbedürftigen Eckpunkt nannte Stoiber die Tatsache, dass Krankenkassen künftig insolvent werden können. Nicht an die Eckpunkte gehalten habe Gesundheitsministerin Schmidt sich bei der Gestaltung des Basistarifs für die privaten Krankenkassen. Dieser werde bei machen Versicherten zu Beitragssteigerungen von bis zu 30 Prozent führen.
Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer kritisierte Schmidt. »Seitens des Gesundheitsministeriums sind nicht nur die Hausaufgaben nicht gemacht worden, sondern es ist von dort immer wieder Sand ins Getriebe gestreut worden«, sagte Ramsauer.
Trotz der vehementen Kritik mehrerer unionsregierten Länder an der Gesundheitsreform rechnet Unionsfraktionschef Volker Kauder nicht mit weiteren Verzögerungen des Reformwerks.
»Wir werden die Gesundheitsreform wie beschlossen am 1. April in Kraft setzen«, sagte der CDU-Politiker. Die von den Ländern genannten Summen zu den angeblichen Belastungen wies er als unrealistisch zurück. Allerdings müsse die Zahlengrundlage der Reform geklärt werden, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt müsse dazu neu rechnen, forderte Kauder in Berlin.
Baden-Württemberg und Hessen hatten sich, wie berichtet, der Kritik Bayerns angeschlossen und von Schmidt umfangreiche Änderungen an der Reform gefordert. Außerdem verlangten die Länder verlässliche Daten darüber, wie stark sie durch den geplanten Gesundheitsfonds belastet werden sollen.
SPD-Fraktionschef Peter Struck kritisierte das Vorgehen der Unions-Ministerpräsidenten bei der Gesundheitsreform scharf. Die »erneuten Schwierigkeiten«, die jetzt wiederum von den CDU/CSU-Länderchefs ausgingen, seien »nicht zu akzeptieren«, schreibt Struck gestern in einem Brief an die 222 SPD-Abgeordneten im Bundestag.
In einer Koalition bringe es nichts, »sich auf Kosten des jeweils anderen profilieren zu wollen. Entweder haben SPD, CDU und CSU gemeinsam Erfolg oder gar keinen.« Dieses sollten beide Seiten inzwischen gelernt haben, heißt es in dem Brief.
»Für uns gelten die Eckpunkte. Wir halten uns an Vereinbarungen«, schreibt der SPD-Fraktionschef weiter. Er habe aus dem ersten Jahr der großen Koalition gelernt, »dass Unterschiede in Sachfragen dann überwunden werden können, wenn das Vertrauen der handelnden Personen zueinander tragfähig ist.«
Mit seinem Unions-Amtskollegen Volker Kauder (CDU) sei er zwar in Sachfragen nicht immer der gleichen Meinung, »aber immer in einem absoluten Vertrauensverhältnis«. Dies sei »substanziell« für viele schwierige Entscheidungen der jüngsten Zeit gewesen.

Artikel vom 19.12.2006