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Kaiser-Granteln im Kurhaus

Blamabler Auftritt der WM-Fußballer - Greis und Wilhelm sind die Besten

Baden-Baden (dpa). Beim Familienfest des deutschen Sports glänzte ausgerechnet das deutsche Fußball-Nationalteam durch weitgehende Abwesenheit und sorgte damit im Kurhaus von Baden-Baden für einen blamablen Auftritt.

»Ich hätte mir auch gewünscht, eine komplette Mannschaft zu sehen. Das hier ist ein Termin, von dem man lernen kann«, sagte Franz Beckenbauer bei der Proklamation zum »Sportler des Jahres«. Er konnte nur einer Rumpfmannschaft mit Teammanager Oliver Bierhoff sowie Oliver Kahn, Miroslav Klose und Per Mertesacker den Pokal für die »Mannschaft des Jahres« übergeben. Als Präsident des FC Bayern München hatte es der »Kaiser« freilich auch nicht geschafft, Philipp Lahm oder Bastian Schweinsteiger auf die Bühne zu bringen.
Moderator Wolf-Dieter Poschmann hatte die Lacher auf seiner Seite, als er die wenigen Starkicker mit den Worten begrüßte: »Die Nationalmannschaft - fast vollständig erschienen.« WM- und Bundesliga-Torschützenkönig Klose gab zwar als Dritter bei den »Sportlern des Jahres« eine gute Figur ab, musste aber noch während der Ehrung der Mannschaft gehen, um rechtzeitig zurück nach Bremen zu kommen: Der Flughafen schloss um 23:45 Uhr und tags darauf musste Klose bereits wieder zur FIFA-Gala nach Zürich. Für Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann war ein Erscheinen von vornherein kein Thema, auch eine Live-Schaltung nicht. Auch sein Nachfolger Joachim Löw fehlte, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte Bierhoff geschickt.
Ein Hauch von WM-Fieber war auch unter den 700 geladenen Gästen noch zu spüren. Wenn die Fußballer zahlen- und stimmungsmäßig ein ebenso gutes Bild wie die zweitplatzierten Hockey-Weltmeister abgegeben hätten, dann wäre es ein glanzvoller Abend geworden. Bierhoff konnte die Kritik »absolut verstehen«. Er habe »Druck gemacht«, verwies aber auf die noch anstehenden Spiele im DFB-Pokal und im englischen Fußball. »Mir waren die Hände gebunden. Es ist schade, dass wir nicht dieses Bild präsentiert haben, das die Hockey-Spieler gezeigt haben.«
Der Teammanager erweckte den Eindruck, als sei ihm das selbst peinlich gewesen. Und so nahm er auch Beckenbauers Rüffel mit Humor hin: »Der Groll des Kaisers geht auch nach der WM weiter.« Auch Kahn, der vom FC Bayern bereits in den Urlaub entlassen worden war, trug es mit Fassung: Der mit seinem Vater angereiste Ex-Nationaltorwart hatte dafür den Service ins Schwitzen gebracht, als er Champagner anstelle des Sekts verlangte.
Kräftig anstoßen durften die Biathlon-Olympiasieger Kati Wilhelm und Michael Greis als die »Sportler des Jahres«. »Das sagt viel über die Sympathie aus, die unserem Sport entgegengebracht wird«, sagte Wilhelm, die mit ihren knallroten Haaren und einem geschnürten Dekolleté bis zum Bauchnabel auch optisch Glanzpunkte setzte. Sie hatte sich bei der 60. Wahl durch die deutschen Sportjournalisten gegen Schwimmerin Britta Steffen und Rodlerin Sylke Otto durchgesetzt.
»Die haben wahrscheinlich applaudiert, weil ich da war«, sagte Michael Greis, der mit seinen Staffel-Kollegen auch noch den dritten Platz bei den Mannschaften belegte. Er gewann vor dem zurückgetretenen Formel-1-Piloten Michael Schumacher und Klose. Schumacher fehlte schon traditionell bei der vom ZDF übertragenen Veranstaltung und führte familiäre Gründe an. S. 4: Kommentar

Artikel vom 19.12.2006