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Vielfältige
choreografische
Handschriften

Tanzspotting beeindruckte im TAM

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Normalerweise tanzen die Mitglieder des Bielefelder Tanztheaters nach der Nase ihres Chefs Gregor Zöllig. Dass sie durchaus in der Lage sind, eigene Ideen choreografisch umsetzten, stellten sie bei einem Tanzabend im TAM unter dem Titel »Tanzspotting« eindrucksvoll unter Beweis.

Wenn sich Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und tänzerischer Prägung ans Werk machen, ist Vielfalt garantiert. Persönliche Erfahrungshintergründe, Vorlieben und Tanzstile sorgten dann auch für einen kurzweiligen Abend, bei dem sechs Kurzchoreografien sowie ein Tanzvideo von der Kreativität und dem großen Enthusiasmus der Tänzer und Tänzerinnen zeugten.
Berührungsängste liegen Tiago Manquinho fern, der für sein Tanzvideo »Iris« spartenübergreifend Ensemblemitglieder heranzog und sie animierte, in einem Seelenthriller mitzuwirken. Darin werden Bilder von Einsamkeit, Eingesperrtsein und Unentrinnbarkeit impliziert. Ein Albtraum, der in der beklemmenden Enge eines Kellers beginnt und in der trostlosen Hinterhofsiedlung eine Endlosschleife zieht. Nachfühlbar unangenehm, wie Manquinho hier unterbewusste Ängste in eine szenische Abfolgen fasst.
Dagegen ist Lachen die beste Medizin. Weshalb Gianni Cuccaros mit Slapstick und Selbstironie vorgetragenes Tanzsolo mit einer Puppe für beste Stimmung im Publikum sorgte.
In der Regel aber überwogen nachdenkliche, ernste Arbeiten, die von persönlichen Schicksalen und bizarren Beziehungen erzählten. Der ewige Zwist zwischen Mann und Frau, Verletzungen, Machtkämpfe und dieses Nicht-mit-und-nicht-ohne-einander-Können« spiegelte sich in unterschiedlicher Handschrift in den Choreografien von Stéphanie Bouilland und Michael Löhr wider. Derweil spielte das Tanztrio von Polina Ogryzkova mit Innen- und Außenspiegelungen von menschlichen Befindlichkeiten. Claudia Braubach hingegen versetzt sich in die Lage eines Menschen, der eine schlechte Nachricht zu viel erhalten hat und manische Verhaltensmuster zeigt. Ein ernstes Thema, das Braubach gleichwohl mit erfrischendem Slapstick servierte.
Und nicht zuletzt Gertrude Steins »Gedanken zur Atombombe« boten Stéphanie Bouilland Gelegenheit, Ernstes mit Leichtigkeit und einem gewissen Augenzwinkern zu präsentieren.

Artikel vom 18.12.2006