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Von Pierer lehnt Rücktritt ab

Siemens-Führungskräfte offenbar früh über Korruption informiert

Berlin/München (dpa). Der Siemens-Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer lehnt einen Rücktritt im Zusammenhang mit der Schmiergeldaffäre beim Münchner Elektrokonzern strikt ab.

»Ich trete nicht zurück«, sagte von Pierer der »Welt am Sonntag«. »Die Frage stellt sich mir nicht. Denn ich habe mir nichts vorzuwerfen.« Weiter sagte er: »Wir haben nichts billigend in Kauf genommen. Wir haben viel gegen Korruption getan und unseren Leuten immer klar gesagt: Lasst lieber ein Geschäft sausen.« Auch bei der Aufklärung handele der Konzern nun kompromisslos.
Der Korruptionsexperte und Mitbegründer von Transparency International, Michael J. Hershman, der von Siemens um Hilfe in der Schmiergeldaffäre gebeten wurde, geht allerdings von langwierigen Untersuchungen aus. Er könne »im Moment nicht einmal sagen, welche kriminellen Delikte begangen wurden. Es könne vielleicht sogar Monate dauern, bis er sich einen Überblick verschafft habe.
Unterdessen mehren sich Vorwürfe gegen den engsten Führungszirkel. »Ab einem gewissen Level wusste jeder was da läuft«, sagte der Anwalt des inhaftierten Chefbuchhalters der Kommunikationssparte Com, Steffen Ufer, dem Berliner »Tagesspiegel«. »Man hat von meinem Mandanten ausdrücklich gewünscht, beide Augen zuzudrücken. Es hat keinen Zweifel daran gegeben, dass in diesem Konzern fast jeder - außer vielleicht die Putzfrau - wusste, dass illegale Provisionen gezahlt werden.«
Dem Nachrichtenmagazin »Focus« zufolge sollen auch der frühere Finanzchef Heinz-Joachim Neubürger sowie der Ex-Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Hermann Baumann frühzeitig von dubiosen Geldströmen erfahren haben. Unter Berufung auf Firmen-Insider schreibt das Magazin, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG habe beide spätestens 2004 über fragwürdige Vorgänge informiert.
Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein Dutzend Verdächtige etwa 200 Millionen Euro von Siemens veruntreut und im Ausland als Schmiergeld eingesetzt hat. Überprüfungen bei Siemens ergaben zweifelhafte Zahlungen von 420 Millionen Euro in den vergangenen sieben Jahren.

Artikel vom 18.12.2006