06.01.2007
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Die Fachfrau ist überzeugt, dass 97 Prozent der Sexualstraftäter - vor allem mit pädophilen Neigungen - das Internet nutzen, um sich an Kinder heranzumachen. »Es ist nirgendwo leichter«, betont Schöning. »Im Internet sitzt jemand, der - ohne die Maske fallen lassen zu müssen - auf unterschiedlichen Ebenen manipulieren kann. Das ist das große Problem, das es den Tätern so einfach macht.«
Die Hälfte aller jugendlichen Chatraum-Nutzer - darunter deutlich mehr Mädchen als Jungen - hat schon einmal unangenehme Kontakte im Chat gemacht, ein gutes Drittel sogar mehrmals. Das geht aus der repräsentativen JIM-Studie 2006 des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest hervor. 70 Prozent der Mädchen mit Chat-Erfahrung wurden demnach schon einmal von Fremden aufgefordert, Name, Adresse oder Telefonnummer preiszugeben. Fast jede Fünfte kam der Aufforderung nach. Ein Viertel hat sich sogar schon einmal mit einer Chat-Bekanntschaft getroffen. Dabei haben 16 Prozent der Mädchen unangenehme Erfahrungen gemacht, fühlten sich belästigt oder empfanden ihr Gegenüber als aufdringlich.
Für die JIM-Studie (»Jugend, Information, (Multi-)Media«) wurden im Mai und Juni 1205 Jugendliche im Alter von zwölf bis 19 befragt. Mehr als jedes vierte Mädchen gab an, mehrmals pro Woche zu chatten.
Zwei bis drei Treffen mit einem Chat-Partner seien für Zwölf- bis 14-Jährige keine Seltenheit, berichtet Schöning. »Die Kinder begreifen oft nicht, dass der Chat-Freund kein echter Freund ist.« Viele verabredeten sich mit diesem, wenn die Eltern nicht zu Hause seien, stiegen zu ihm ins Auto oder reisten sogar einige hundert Kilometer, um ihn zu treffen. Komme es beim Treffen mit dem Bekannten aus dem Internet zu sexuellem Missbrauch, erzählten die meisten jungen Frauen aus Scham nichts. Ein Grund seien massive Schuldgefühle, selbst mitgemacht zu haben, sagt Carmen Kerger vom Verein Dunkelziffer in Hamburg.
»Viele Eltern wissen nicht, was Kindern im Netz begegnet«, kritisiert Schöning. Lehrer gäben Hausaufgaben mit Internetnutzung und ließen ihre Schüler dann mit dem Medium allein. Bei der Initiative »Schulen ans Netz« werde zu wenig auf den Sicherheitsaspekt geachtet, kritisierten die Experten.
»Kinder unter zwölf Jahren brauchen gar nicht ins Internet«, meint Schöning. Später sollten die Eltern sie begleiten und auf die Gefahren aufmerksam machen. »Ich lese die Mails meiner Töchter nicht, frage aber, wer dahinter steckt«, sagt Schöning. Eltern sollten klare Absprachen treffen und Verstöße sanktionieren. Die Kinder müssten gestärkt werden, betont Kerger: So könnten zum Beispiel lästige E-Mails einfach weggeklickt werden - oder man schreibt zurück: »Lass mich in Ruhe!«
Artikel vom 06.01.2007