06.01.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein Potpourri feinster Essenzen
Beim ersten Duftseminar im Potsdamer Hotel »Bayerisches Haus« können Teilnehmer ihr eigenes Parfüm kreieren
Es ist leichter, die chinesische Schrift zu erlernen als Düfte zu benennen. Nach sieben Jahren erkennt ein Profi-Parfumeur gerade einmal 1200 Essenzen.
Und ein Duftwasser, wie es in den Parfümerien verkauft wird, besteht immerhin aus bis zu 200 Komponenten. Diese zu erschnuppern, das schaffen nur die besten »Nasen« der Welt. Sich selbst ein Parfum zu mischen, erscheint angesichts dieser Tatsachen utopisch. Und doch wagte das Hotel »Bayerisches Haus« im Potsdamer Wildpark Ende 2006 ein Experiment und lud zusammen mit der Parfümerie Molinard aus dem provencalischen Grasse zu einem Workshop ein. Die Nachfrage war groß -Êund was noch wichtiger war: Die Teilnehmer dieses eintägigen Seminars trugen am Abend ihr selbst kreiertes Parfüm zum exquisiten Duft-Dinner von Sternekoch Alexander Dressel.
14 Uhr: Beim Cocktailempfang an der Bar des ehemals von Friedrich IV. errichteten Hauses begrüßt Dominique Demard zum ersten Molinard-Duftseminar auf deutschem Boden. »Um ein Erfolgsparfum zu mixen, bedarf es mindestens 20 Jahre Berufserfahrung. Aber Sie streben ja keinen kommerziellen Erfolg an, sondern wollen Ihre individuelle Note in Duft umsetzen. Das ist viel einfacher«, macht sie den neun Damen und drei Herren Mut. Und erklärt die Duftpyramide: »Als erstes riecht man die leichtflüchtigen Essenzen, die nur etwa fünf bis zehn Minuten auf der Haut bleiben. Die Herznote, die dem Parfum das Thema gibt, ist gut drei Stunden präsent. Danach riecht man nur noch die schweren Essenzen, die die Grundnote bilden.« Diese machen 50 Prozent des Parfums aus. Soviel zur Theorie.
Und dann werden die Fläschchen geöffnet! Betörende Düfte füllen den Raum. Glücklicherweise sind alle Essenzen namentlich benannt, sonst würden die Hobbyparfumeure wohl bestenfalls Lavendel, Schokolade, Orange und Jasmin erkennen. Aber was passt nun zusammen? »Lavendel und Rose riechen für sich genommen herrlich - dürfen aber niemals zusammenkommen«, sagt Dominique. Denn manche Substanzen, deren Düfte sich vielleicht noch ergänzen könnten, reagieren chemisch miteinander -Êund das Produkt ruft bestensfalls noch ein Naserümpfen hervor.
Ich probiere es mit kulinarischen Spezereien: Schokolade, Vanille, Karamel, Kokos. Mmmh, regt den Appetit an, aber das war es denn auch. Es kostet Überwindung, Jasmin hinzuzufügen. Aber so gewinnt der Duft tatsächlich an Tiefe. Dominique ist dennoch nicht zufrieden. »Lassen Sie die Schokolade weg«, rät sie. »Als Mann sind sie doch auf eine herbere Note aus.« Patschuli und Moschus sind indes gar nicht mein Ding, aber Sandelholz finde ich recht apart. Und mit Jasmin und Vanille ergibt es eine Grundnote, mit der ich mich anfreunden könnte.
Mittlerweile weiß mein Geruchssinn nicht mehr, ob er angesichts des Duft-Trommelfeuers entzückt sein oder einfach den Dienst quittieren soll. Eine Nase frischer Luft auf dem Flur -Êund dann zurück in den Seminarraum. Der scheint völlig eingenebelt. Und dennoch: Langsam fördert die Konzentration das Differenzierungsvermögen. So entscheide ich mich für Hyazinthe, Narzisse und Geißblatt als Herznote. Herb und süßlich -Ênun soll noch eine fruchtige Komponente hinzukommen. Nach drei Stunden ist die Rezeptur perfekt, Dominique gibt Tipps zur perfekten Dosierung der einzelnen Essenzen -Êund dann darf jeder Teilnehmer einen Flacon mit seinem Parfum befüllen. Der eingenebelte Geist muss, beflügelt von den Düften, dann in einem weiteren Kreativitäts-Schub noch einen Namen für die Eigenschöpfung erfinden. Mein Nachbar macht es sich mit »Parfum d'Horst« recht einfach, die Dame zur Linken ist so begeistert von ihrem Werk, dass sie es einfach »Très bien« nennt. Ich erinnere mich an einen Ort meiner Sehnsucht, der mich nicht nur mit seinen archäologischen Ausgrabungen fasziniert hat, sondern auch das Duft-Potpourri des Urwalds im Übermaß verströmte -Êund nenne mein Parfum »Angkor Experience«.
Dann ist es auch schon Zeit, Düfte nicht mehr mit der Nase, sondern mit dem Ohr aufzunehmen. In der Hotelbar bittet Schauspieler Augustin Kramann zur Lesung aus Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«. Und als er mit seiner Stimme den fauligen Gestank Pariser Hinterhöfe herbeizaubert, muss ich ganz schnell noch mal mein Fläschchen öffnen und eine Nase »Angkor« nehmen.
Eine Stunde später im Restaurant: Mir wird klar, warum Amateure bei der Parfumkreation zunächst mal die Kulinarik im Sinn haben. Alexander Dressel, einziger Sternekoch des Landes Brandenburg, zelebriert die hohe Schule der Kochkunst. Den Petersfisch richtet er mit Zitrusfrüchten und Sencha-Verbene-Schaum an, zur Fasanenbrust reicht er eine Rosmarinpolenta. Das Pfirsichküchlein zum Dessert krönt eine Nocke Thymianeis. Und eine ganze Tischgesellschaft bringt die Disziplin auf, an den Speisen zu schnuppern, bevor Messer und Gabel angesetzt werden...
Dieses Jahr sind folgende Termine für den Parfum-Workshop geplant: 20. Januar, 24. Februar, 24. März, 21. April und 26. Mai.
Thomas Albertsenwww.molinard.fr
www.www.bayrisches-haus.de

Artikel vom 06.01.2007