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Nachbeben im
Fall Stephanie

Verteidiger sieht Gründe für Revision

Dresden (dpa). Der Fall Stephanie ist mit dem Urteil des Landgerichts Dresden gegen den Peiniger der heute 14-Jährigen noch nicht beendet.

Während Mario M.'s Pflichtverteidiger Andreas Boine am Freitag mit der Prüfung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung der Großen Strafkammer begann, gibt es auch Kritik an der Betreuung des Opfers. Der Freistaat stellt sich aber auf Gespräche über die finanzielle Beteiligung an Therapiekosten für die Dresdner Schülerin ein.
Der arbeitslose Anlagenbauer Mario M. (36) war am Donnerstag, wie berichtet, wegen Geiselnahme, Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und Körperverletzung zur Höchststrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Sein umfassendes Geständnis, die von einem Gutachter attestierte schwere seelische Abartigkeit sowie »die Vorverurteilung in den Medien« wurden dabei nicht strafmildernd bewertet. »Das Urteil ist eine Einladung zur Revision«, glaubt deshalb sein Anwalt Boine.
Der vorbestrafte Sexualtäter Mario M. bleibe bis zur Rechtskraft des Urteils in Untersuchungshaft in Dresden, sagte der Sprecher des Justizministeriums, Martin Marx. In welchem Gefängnis Mario M. anschließend seine 15-jährige Haftstrafe verbüßen wird, sei noch unklar. Die Sicherungsverwahrung beginne dann nach Haftverbüßung im Jahr 2021.
M. befinde sich derzeit auf einer speziellen Sicherheitsstation in einer Einzelzelle mit Einzelhofgang. »Jede Bewegung außerhalb der Zelle erfolgt in Hand- und Fußfesseln und von drei Beamten bewacht«, sagte Marx.
Kritik an den Beratern von Stephanies Familie übte Veit Schiemann von der Opferschutzorganisation Weißer Ring. Sie hätten den Kontakt zu den Medien »enorm gesucht«. Es sei »fraglich, ob damit dem Wohl des Mädchens gedient wurde«. So lange der Fall in der Öffentlichkeit präsent sei, werde die 14-Jährige stets mit der Geschichte konfrontiert, sei ein normales Leben für sie unmöglich.
Das sächsische Justizministerium will unterdessen dem Wunsch der Familie entsprechen, noch vor Weihnachten über finanzielle Hilfen für Therapien zu entscheiden, sagte Sprecher Marx. Es gehe darum, dass Stephanie rasch eine seriöse Trauma-Behandlung bekomme. Die Familie lehnt nach Angaben von Opferjurist Thomas Kämmer jedoch Vorschriften zu einer bestimmten Therapie ab. »Wir fordern, dass der Freistaat sich an den Kosten der Delfintherapien beteiligt«, sagte er. Für die Familie gehe es um Geld dafür und eine Traumatherapie unter Federführung von Psychologin Angelika Schrodt. Kämmer wies Kritik an der Betreuung von Stephanie zurück: »Alle bisherigen Maßnahmen haben erfolgreich gewirkt.«

Artikel vom 16.12.2006