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Stoiber droht Berlin mit Nein

Gesundheitsreform steht wieder auf der Kippe - Ländern fürchten Kosten

Berlin (dpa). Der nach monatelangen Querelen erzielte Kompromiss zur Gesundheitsreform steht wieder auf der Kippe. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber drohte in der letzten Bundesratssitzung vor der Weihnachtspause mit einer Ablehnung der Reform.
Sollten die finanzielle Auswirkungen auf die Länder nicht eindeutig geklärt werden, »wird es keine Zustimmung der CSU weder im Bundestag noch im Bundesrat zu dieser Gesundheitsreform geben«, sagte der CSU-Vorsitzende am Freitag. Auch die unionsgeführten Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen knüpften ihre Zustimmung an Bedingungen.
Der SPD-Chef und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck warnte vor einem »Aufschnüren« des Reformpakets. Vereinbarte Eckpunkte dürften aber nicht in Frage gestellt werden.
In zahlreichen Anträgen sprach sich der Bundesrat für teils grundlegende Änderungen an dem Reformwerk aus. So wollen die Länder unter anderem bei der Höhe des künftig bundesweit einheitlichen Beitragssatzes mitreden.
Stoiber nannte als »Schlüsselfrage« den Risiko-Strukturausgleich (RSA). Dieser würde die reichen Länder Bayern mit 1,7 Milliarden Euro, Baden-Württemberg mit 1,6 Milliarden und Hessen mit 700 Millionen Euro belasten. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zweifelte diese Zahlen an: »Manche Gutachten können auch nicht stimmen.« Schmidt geht im Fall Bayerns von Belastungen in Höhe von nur 36 Millionen Euro aus.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte: »Die Ministerin ist aufgefordert, verlässliche Zahlen vorzulegen und Widersprüche aufzuklären. Ich bin sicher, dass das gelingt.«
Stoiber forderte zudem eine Überprüfung des Insolvenzrechts bei Krankenkassen. Hier drohten den Ländern erhebliche Kosten durch die Übernahmeverpflichtung von Beamten. Die einprozentige Kürzung bei Krankenhäusern habe schwerwiegende Auswirkungen auf die Krankenhaus-Strukturen der Länder.
Zudem warf Stoiber Schmidt vor, durch die Neuregelungen bei den privaten Krankenversicherungen eine Steigerung der privaten Beiträge zu provozieren. Dies habe für Beamte, die alle privat versichert sind, erhebliche Auswirkungen. Die Ministerin habe durch ihren Entwurf das Klima in der großen Koalition belasten und die privaten Krankenversicherungen in Existenznöte bringen wollen. Schmidts Entwurf weiche erheblich von den in der großen Koalition verabredeten Eckpunkten ab.
Es wird erwartet, dass die Gesundheitsreform auf der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe Anfang Januar in Wildbad Kreuth zentrales Thema ist. Die Reform soll am 19. Januar vom Bundestag und im Februar vom Bundesrat beschlossen werden und am 1. April in Kraft treten. Wenn der Vermittlungsausschuss angerufen werden soll, müsste dies im Januar geschehen, um den fristgemäßen Start der Reform im April nicht zu gefährden.
Ministerin Schmidt sagte am Rande der Bundesratssitzung, die Forderungen Stoibers stünden bereits im Entwurf. Beim Insolvenzrecht für Krankenkassen sei immer klar gewesen, dass es im Laufe des Verfahrens erarbeitet werden müsse.
Nach dem Willen der Länderkammer soll der Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser in Höhe von 500 Millionen Euro wieder gestrichen werden. Dieser Beitrag von einem Prozent ihrer Gesamtbudgets sei »medizinisch nicht begründbar und wirtschaftlich nicht verantwortbar«, heißt es in einer Stellungnahme, der der Bundesrat mehrheitlich zustimmte.
Zudem fordern die Bundesländer, dass die Regelungen für die private Krankenversicherung erst 2009 statt wie geplant 2008 in Kraft treten - zeitgleich mit dem Start des Gesundheitsfonds. Die geplanten Kürzungen von 100 Millionen Euro bei Rettungs- und Krankenfahrten lehnen die Länder ab.

Artikel vom 16.12.2006