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Auf der Achterbahn
der großen Gefühle

In »She loves me« ist die ganze Welt so rosarot

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB) Ja, ja, ja, sie kriegen sich. Wir wissen es schon vorher. Aber seit wann sind Liebesgeschichten langweilig? »She loves me«, die musikalische Broadway-Komödie, jedenfalls ist es nicht. Sie hatte im Stadttheater Bielefeld Premiere - und danach war die ganze Welt rosarot. 

So puderquastenrosarot wie das Bühnenbild von Reinhard Wust, der das blumig-samtig-geschwungene Abbild des Budapest der 1930er Jahre auf die Bühne holt, auf der Regisseurin Iris Limbarth mit ihren Einfällen bezaubert. Das tut das Ensemble - alles in allem 19 Köpfe stark - auch. Denn in Maraczeks Parfümerie findet sich die Liebe in ihren unterschiedlichsten Spielarten: die emotionale Achterbahnfahrt von Amalia und Georg, die das Schicksal dort, am gemeinsamen Arbeitsplatz, zusammen geführt hat, obwohl sie sich schon lange - ohne einander persönlich zu kennen - Liebesbriefe schreiben. Die berechnende Liebe Stephans. Die frische Liebe von Ilona, der endlich die Augen auf gegangen sind. Die verratene Liebe des Herrn Maraczeks. Dazwischen wieseln die ach so unterschiedlichen Kundinnen (Corinna Kuhnen, Monika Mayer, Andrea Wittler), erklären uns Kellner und Piccolo (Olaf Meyer, Christian T. Müller), was romantisch ist, wird geschwoft, Fieber gemessen, auf Luftinstrumenten musiziert - und der weihnachtliche Konsum besungen. Und immer, wenn man fast schon glaubt, in einem Schmachtfetzen aus der deutsch-österreichischen Heimatfilmproduktion der 1950er Jahre gelandet zu sein, dann bricht die Geschichte und alles ist doch nicht mehr ganz zu rosarot und duftig-leicht.
Denn die Parfümerie kämpft ums wirtschaftliche Überleben, die Kunden fragen nur noch nach Schnäppchen, den Angestellte Ladislav Sipos (Carlos Horacio Rivas mit unnachahmlicher Haltung am Staubwedel und als Freund) bangt so sehr um seinen Arbeitsplatz, dass er mit einem denunzierenden Brief einen missliebigen Kollegen loswerden will und dadurch ein furioses Durcheinander auslöst. Die Sprach- und die Liedtexte, sie sind nicht immer glatt und gefällig, auch, wenn sich »greulich« auf »erfreulich« reimt oder »blühen« auf »glühen«. »She loves me« kommt auch schräg, skurril daher zwischen Töpfchen, Tuben und Tiegeln.
Den Schlussapplaus haben alle Darsteller sich redlich verdient, alle gingen in ihren Rollen auf, jeder hatte sein Solo, sein Kabinettstückchen. Melanie Kreuter als zunächst von Stephan (Tilman von Blomberg) an der Nase herum geführte Parfümeriefachverkäuferin, die immer an die große Liebe glaubt, und Cornelie Isenbürger als Amalia, die dem ersten Rendezvous mit ihrem unbekannten Geliebten (René Roseburg) entgegen fiebert, glänzten nicht nur stimmlich. Beide zeichnet eine besondere Ausstrahlung aus. Sven Bindseil schwelgt in Kostümfantasien in einer Geschichte, die mit Liebe erzählt wird, in der jede Bewegung passt, »musikalisch«. »She loves me« ist ist ein zeitloses Märchen für Erwachsene. Und zum Schluss endlich der Kuss. . .

Artikel vom 18.12.2006