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Ohne das Wissen des »Barons«
lief auf dem Lande fast nichts

Ex-Bauernpräsident Freiherr Heereman von Zuydtwyck wird Sonntag 75

Von Bernhard Hertlein
Riesenbeck (WB). »Haben Sie schon gefragt, was Heereman dazu sagt?« Fast vier Jahrzehnte lief in der deutschen Landwirtschaft nichts, ohne dass der streitbare westfälische Baron nicht zumindest davon wusste. Am kommenden Sonntag feiert er auf der heimischen Surenburg seinen 75. Geburtstag.
Weggefährten, aber nicht immer gleicher Meinung: Der Bauernpräsident und Abgeordnete Heereman mit Kanzler Helmut Kohl. Fotos: dpa
Jäger aus Leidenschaft und Präsident im Jagdverband.

Vor knapp zehn Jahren, kurz nach seinem 65. Geburtstag, hat sich Constantin Bonifatius Hermann Joseph Maria Freiherr Heereman von Zuydtwyck von seinen wichtigsten Ehrenämtern zurückgezogen. Viele hielten es für unmöglich, dass er die Bühne vollständig seinen Nachfolgern Gerd Sonnleitner auf Bundesebene und Franz-Josef Möllers in Westfalen-Lippe überlassen könnte. Doch Heereman ist stets nicht nur ein Meister starker Worte, sondern auch ein gewiefter Taktiker gewesen. Vor zwei Jahren gab er als letztes Amt auch den Vorsitz im NRW-Landesjagdverband ab.
Wohl die meisten Attacken ritt der Baron gegen die Brüsseler EU-Bürokratie. Aber obwohl er sogar während zweier Legislaturperioden als CDU-Abgeordneter dem Deutschen Bundestag angehörte, war er auch gegenüber der Bundesregierung in der Wahl der Mittel nicht zimperlich, wenn er die Interessen »seiner« Bauern vertrat. Manches Mal wusste man nicht genau, ob er nun auf Seiten oder gegen den Bundeslandwirtschaftsminister kämpfte. Heeremans Taktik beschrieb Alt-Kanzler Helmut Kohl so: »Er hielt immer etwas zum Nachgeben bereit.« War man sich einig, habe Heereman kräftig geschimpft. »Dann ging er weg, trank einen und hat sich gefreut: ÝSchön, das haben wir also erreicht.Ü«
Sein Ziel war es, möglichst viele selbständige und leistungsfähige Bauernhöfe zu erhalten. Trotzdem mussten in seiner Amtszeit so viele deutsche Landwirte aufgeben wie niemals zuvor. Manche gaben Heereman dafür eine Mitschuld, meinten, er würde zu sehr die Interessen der größeren Höfe (»Großagrarier«) vertreten. Die »Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft« verstand sich anfangs als Gegenorganisation zum Bauernverband. Später ging Heereman auf die Gegner zu. Die Öko-Landwirtschaft habe das Bewusstsein geschärft, dass gute und gesunde Lebensmittel nicht zu Billigstpreisen zu haben sind.
Verbal kein Pardon kannte Heereman als oberster Jäger für jene Tierschützer, die Hochsitze oder Jagdeinrichtungen beschädigten. Er bezeichnete sie schlicht als »Terroristen«.
Guten Kontakt hielt der Bauern-Lobbyist stets zu Journalisten. Zusammenhänge und Hintergründe erläuterte er ihnen gern auch im Kaminzimmer oder im »Feuchtbiotop« (Kellerbar) auf seinem Schloss Surenburg bei dem tecklenburgischen Ort Riesenbeck. Mit »Rücksicht auf schreibende und sprechende Journalisten« verzichtete er sogar auf den zweiten Teil seines Nachnamens.
Heereman hat auch unter größtem Zeitdruck noch Zeit für ein Späßchen. Unter den vielen Orden, die er für sein Lebenswerk schon erhalten hat, erwähnt der Karnevalist einen besonders gern: den Orden des Aachener Karnevalvereins »wider den tierischen Ernst«.

Artikel vom 15.12.2006