16.12.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Weltmann und Raststätten-Chef

Jürgen Lührmann tritt in den Ruhestand - Über Rotterdam und New York an die A 2

Sennestadt (WB). Der Pächter der Autobahn-Raststätten Ober- und Niedergassel sowie Herford, Jürgen Lührmann, tritt am kommenden Dienstag in den Ruhestand.

»Du bist in deinem Denken irgendwo zwischen Bielefelder Rohrteichstraße und Broadway.« Wenn Jürgen Lührmann diesen Satz von seinen Freunden hört, muss er schmunzeln: »Meine Vergangenheit merkt man mir heute noch an. Ich wollte halt immer die Welt sehen.« Vor 51 Jahren hatte der heute 67-Jährige im Bielefelder Hotel »Dortmunder Hof« eine Lehre zum Kellner begonnen - England, Rotterdam, New York und Südamerika folgten. »Eine Möglichkeit, der Rohrteichstraße in Bielefeld zu entkommen, war über diesen Beruf.«
Die Rohrteichstraße 42: Hier wuchs Jürgen Lührmann auf. Als Jugendlicher packte ihn das Fernweh: »Das war damals die Zeit von Hans Albers und Freddy Quinn. Die sangen von der Seefahrt und fernen Ländern, da wollte man das auch erleben.« Am 1. April 1955 begann der damals 15-Jährige eine Lehre zum Kellner, zunächst im Hotel »Dortmunder Hof« an der Herforder-/Ecke Zimmerstraße, dann in »Biermanns Weinstuben«, dem heutigen »Brauhaus Johann Albrecht« an der Hagenbruchstraße. Große Sprünge waren für den »Piccolo«, wie die Kellner-Lehrlinge damals genannt wurden, nicht drin: 8,35 Mark verdiente Lührmann im ersten Lehrjahr.
Nach seiner Ausbildung ging Lührmann 1959 nach Hamburg, um dort im »Vier Jahreszeiten« zu arbeiten. Nach Feierabend lernte er Englisch. Sein Lehrer besorgte ihm seinen ersten Job im Ausland: Dieser hatte einen Bekannten im noblen »Palace Hotel« im südenglischen Torquary, der Lührmann dort als Kellner unterbrachte.
Nach einer Saison auf der Insel kehrte der mittlerweile 22-Jährige in die Rohrteichstraße zurück. Lange blieb er nicht: »Ich dachte mir nur: Wo ist der nächste Hafen? Da musst du hin!« Lührmann fuhr nach Rotterdam. »Um 11 Uhr kam ich da an, um 16 Uhr war ich auf'm Schiff.« Drei Monate lang fuhr er mit der Holland-Amerika-Linie nach Kanada und New York.
Die Stadt am Hudson River faszinierte den Westfalen so sehr, dass er bleiben wollte. Lührmann stellte sich im Nobelhotel »Waldorf Astoria« vor. »Die haben dann zu mir gesagt: Wenn Sie kommen wollen, müssen Sie erst mal Amerikaner werden.«
Lührmann nahm es wörtlich und beantragte eine Emigration. Am 5. Oktober 1962 bekam er die »Green Card«, die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die Vereinigten Staaten von Amerika. Er fuhr nach New York und fing tatsächlich im »Waldorf Astoria« an. Vier Monate dauerte dieses Gastspiel. Dann überredete ihn ein deutscher Kollege, wieder zur See zu fahren. Das Fracht- und Passagierschiff »SS Santa Magdalene« war Lührmanns nächste Station. Von New York aus durchquerte »George« - wie er von seinen Kollegen genannt wurde - auf den Reisen nach Südamerika 144-mal den Panama-Kanal. Die Urkunde zur 100. Überfahrt hat er heute noch. »Ich dachte, das wäre nur eine kurze Geschichte. Aber dann bin ich sieben Jahre geblieben.
1970 war Schluss mit der »Sturm- und Drangzeit«, wie Lührmann es beschreibt. Der damals 30-Jährige wollte eine Familie gründen, endlich sesshaft werden. Nach seiner Rückkehr aus New York arbeitete er als Gastronomie-Abteilungsleiter einer Warenhaus-Kette in Frankfurt, Mönchengladbach und Köln. 1973 heiratete er.
Seit Ende der 80er-Jahre betreibt Lührmann mit seinem Stiefsohn Andreas Bours an der A 2 die Tank- und Rastanlage Herford sowie seit drei Jahren die Bielefelder Raststätten Ober- und Niedergassel. In diesem Jahr ist Schluss damit. Lührmann wird sich nach mehr als 50 Jahren Dienst am Gast aus dem Berufsleben zurückziehen. »Das Tolle an meinem Job war, dass man sofort die Resonanz vom Gast bekam.«
Für seinen Ruhestand hat er viele Pläne: Die Stätten, die er als junger Mensch bereist hat, möchte er noch einmal besuchen. »Denn in dem Augenblick, wo man dort steht, ist man wieder von der Jugend beseelt.«

Artikel vom 16.12.2006